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Politik

Ritt auf der Rasierklinge in der Straße von Hormus

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
24. Juli 2019

Die britische Regierung hat die Tanker-Krise mit dem Iran selbst herausgefordert. Jetzt braucht sie europäische Hilfe - und der Regierungswechsel in London macht die Lage noch unberechenbarer, meint Barbara Wesel.

Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Akhoondi

Ein chinesisches Sprichwort sagt: Wer dem Tiger die Glocke an den Schwanz bindet, muss sie auch wieder losmachen. In dieser unerfreulichen Lage ist gerade die britische Regierung. Sie hatte vor zwei Wochen einen iranischen Tanker, mutmaßlich ein Sanktionsbrecher mit Öl für einen syrischen Hafen, vor Gibraltar festgesetzt. Der Tipp kam wohl aus US-Geheimdienstkreisen, und die Briten handelten pflichtschuldig.

Wie zu erwarten, schlug der Iran zurück und kaperte am Freitag die unter britischer Flagge fahrende Stena Impero in der Straße von Hormus. London nennt das einen Akt der Piraterie, weiß aber sehr wohl, dass es die gefährliche Konfrontation selbst heraus gefordert hat und jetzt Hilfe braucht im Umgang mit dem Tiger.

Es war eine Falle der USA

Es rächt sich, dass die Briten gegenüber dem Iran eine Doppelstrategie fahren. Zum einen unterstützen sie die europäische Linie, dass man das Atom-Abkommen mit Teheran erhalten will und dass dessen Kündigung durch Präsident Trump ungerechtfertigt war. Seit Monaten versuchen die großen europäischen Hauptstädte, einen Weg um die knallharten US-Sanktionen herum zu finden und den Vertrag am Leben zu halten. 

London aber will sich gleichzeitig in Washington beliebt machen und stellt sich als treuer Verbündeter dar. Das führte dazu, dass die Regierung in Westminster - ständig mit Nabelschau und dem Brexit beschäftigt - tumb in die Falle von Sicherheitsberater John Bolton tappte, dem schärfsten Falken auf US-Seite. Großbritannien ließ sich in die militärisch aufgeheizte Konfrontation in der Region hineinziehen, und den europäischen Verbündeten droht jetzt das Gleiche. 

DW-Europakorrespondentin Barbara WeselBild: DW/G. Matthes

Paris und Berlin, Mitunterzeichner des Iran-Atom-Abkommens haben sich diese Situation nicht ausgesucht. Trotzdem müssen sie jetzt eine konstruktive Antwort finden. Die beste Lösung wäre, beide Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen und die Krise durch einen Tankertausch zu bereinigen.

Aber die politischen Tauben in Teheran scheinen den internen Machtkampf gegen die eigenen Hardliner wieder einmal verloren zu haben. Das Regime setzt auf volle Konfrontation. Für die Europäer ist es dabei ernüchternd zu erfahren, dass ihre jahrelange Iran-Diplomatie inzwischen wohl nichts mehr wert ist. 

Kanonenboot-Politik ohne Boote und Kanonen

So unerfreulich es auch ist: Die europäischen Hauptstädte müssen jetzt entscheiden, ob sie den Briten helfen wollen, Tanker in der Straße von Hormus zu schützen. Dabei geht es weniger um die Flagge, unter der die Schiffe fahren. Sie transportieren nämlich Öl, das für alle europäischen Länder lebenswichtig ist. 

Wenn sie es auch zähneknirschend tun, Berlin und Paris sollten überlegen, ob sie Konvois mit westlichen Schiffen bilden und sie unter militärischen Geleitschutz stellen wollen. Das gilt, wenn die Diplomatie scheitern sollte. Und die Bundeswehr muss erneut erklären, ob sie überhaupt noch Gerät hat, das schwimmt und fliegt. Über diese Peinlichkeit kann sich Berlin mit dem jämmerlichen Zustand der britischen Marine hinweg trösten. Nach Jahren der Kürzungen ist die Hälfte ihrer Fregatten im Dock zur Instandsetzung.

Man fragt sich allerdings, warum die Regierung in London den iranischen Tiger so reizen musste, dass jetzt Kanonenboot-Politik gefragt ist, ohne dass man die Boote und Kanonen dafür hätte? Außerdem kann europäische Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik so nicht aussehen: Ein Partner begeht eine Dummheit ohne die anderen zu konsultieren, und alle sollen die Suppe dann gemeinsam auslöffeln.

Das Risiko heißt Boris Johnson

Der Regierungswechsel in London kommt erschwerend hinzu. Boris Johnson ist sprunghaft, kein Diplomat und kein Experte in der Nahostpolitik. Ausgerechnet er muss jetzt nach Paris und Berlin fahren und um Unterstützung in der Tankerkrise bitten - einerseits. Andererseits setzt er gleich danach seine Brexit-Kappe auf, stellt unverschämte Forderungen und beleidigt seine Partner. Diese schizophrene Situation kann nur zum großen Krach führen.   

Alles, was man über Boris Johnson weiß, deutet darauf, dass er einer solchen Krise nicht gewachsen ist. Außerdem gilt er als sprunghaft und könnte über Nacht entscheiden, sein Glück lieber an der Seite von Donald Trump zu suchen. Und er ist  erpressbar, weil er so dringend einen Handelsvertrag mit Washington will.

Es hätte kaum schlechter kommen können. Die Europäer müssen abwarten, was der neue Premierminister im Schilde führt, bevor sie sich mit ihm einlassen. Er würde sie belügen und betrügen, ohne mit der Wimper zu zucken, so viel ist klar. Die Bewältigung der Tankerkrise in der Straße von Hormus wird ein Ritt auf der politischen Rasierklinge - und die Zukunft des Nuklearvertrages mit dem Iran steht auf Messers Schneide.

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