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Kommentar: Rohanis große Herausforderungen

Jamsheed Faroughi15. Juni 2013

Über Nacht wurde Hassan Rohani zum neuen Hoffnungsträger für Irans Gesellschaft. Doch der neue Präsident wird es von Anfang an schwer haben, die hohen Erwartungen zu erfüllen, meint DW-Redakteur Jamsheed Faroughi.

Die Iraner lieben Überraschungen. Der Staat überrascht die Gesellschaft; die Gesellschaft überrascht den Staat und beide gemeinsam überraschen die Weltgemeinschaft. Immer und immer wieder. Auch jetzt wieder: bei der Präsidentschaftswahl des Landes.

Jamsheed Faroughi, Leiter der Persischen Redaktion der DWBild: DW/P. Henriksen

Überraschungen schienen ausgeschlossen

Nachdem der Wächterrat fast 99 Prozent der Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen und damit den Überraschungen möglichst wenig Platz gelassen hatte, standen lediglich sechs Kandidaten zur Wahl: der gemäßigte Hassan Rohani und fünf Konservative. Einen echten Favoriten gab es bei den Konservativen nicht, und Rohani galt als relativ unbekannt. So ging man zunächst davon aus, dass es zu einer Stichwahl kommen würde - womöglich zwischen zwei der konservativen Kandidaten. Und dann kam doch alles ganz anders.

Die Präsidentschaftswahl im Iran ist nun schon nach dem ersten Durchgang entschieden. Die Auszählung der Stimmen hat länger gedauert als zunächst geplant. Die Spannung wuchs daher stündlich, bis das iranische Innenministerium die Wahlergebnisse offiziell bekannt gegeben hat. Keiner hatte mit einem so deutlichen und plötzlichen Sieg Rohanis gerechnet. Wie war dieser überhaupt möglich?

Hoffnungsträger in einer eher hoffnungslosen Zeit

Die soziale Situation im Iran ist ausgesprochen miserabel. Hohe Arbeitslosigkeit, eine zügellose Inflation, eine stagnierende Wirtschaft, erdrückende Sanktionen und vieles mehr beherrschen das Alltagsleben im Gottesstaat. Dazu kommen die politischen Narben, die die gewaltsame Unterdrückung der Protestbewegung nach den letzten Wahlen 2009 hinterlassen haben. Eine solche Situation ist auf Dauer nicht haltbar und mündet unweigerlich in eine tiefe Unzufriedenheit, die sich in den Wahlergebnissen widerspiegelt. Der Ausgang der Präsidentschaftswahl im Iran war ein klares Nein zur Atom- und Außenpolitik der Konservativen und zugleich eine deutliche Niederlage des religiösen Oberhauptes, Ayatollah Ali Chamenei.
 
Nun wurde Hassan Rohani innerhalb weniger Wochen zum Hoffnungsträger der Bevölkerung, und das in einer eher hoffnungslosen Zeit. Er ist vom ersten Tag an mit großen und existenziellen Herausforderungen konfrontiert. Zum einen muss er rasch einen Ausweg für die festgefahrenen Atomgespräche finden, Kompromisse suchen und die provokative und kontraproduktive Außenpolitik von Grund auf ändern. Nur so kann er auf eine Deeskalation der Konflikte, eine Lockerung der Sanktionen und damit auf eine Verbesserung der sozialen Missstände hoffen. Zum anderen muss er nach Versöhnung mit dem Volk streben. Das ist nur dann möglich, wenn die repressiven Maßnahmen gegen das Volk beendet, die politischen Gefangenen freigelassen, die Hausarreste der Reformer Mussawi und Karoubi sofort aufgehoben, und nicht zuletzt, die Pressefreiheit sowie der freie Zugang zu Informationen gewährleistet werden.

Mit Rohani werden zweifelsohne große Erwartungen verknüpft. Zumal wir wissen, dass der Weg zu solchen Zielen steil und steinig ist. Einerseits hat der religiöse Führer bei den wichtigsten Fragen, wie etwa im Atomkonflikt, immer das letzte Wort. Andererseits haben die Konservativen im Parlament die Überhand. So ist der Sieg in der Präsidentschaftswahl nur der erste Schritt. Dass große Erwartungen zu großen Enttäuschungen führen können, haben die Menschen im Iran oft erlebt. Aber dieses Mal ist die Zeit knapp und der Preis für eine weitere Enttäuschung sehr hoch.

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