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Russland ist trotzdem ein Gewinner

Jochem Pascal Kommentarbild App
Pascal Jochem
7. Juli 2018

Das WM-Abenteuer ist für Russland beendet. Trotz des Ausscheidens im Viertelfinale gegen Kroatien hat die russische Auswahl die Menschen begeistert und verdient Respekt, meint Pascal Jochem.

Bild: picture-alliance/dpa/G. Sisoev

Eine Mannschaft bestehend aus No-Names, ohne echte Stars. Im Land der Eishockey-Helden. Vor dem WM-Turnier im eigenen Land hatte der russischen Fußball-Nationalmannschaft niemand etwas zugetraut. Was soll das bei der WM werden? Wird das Team überhaupt die Vorrunde überstehen? Die Menschen in Russland sind traditionell misstrauisch, keine Träumer. Die WM war kein Turnier, auf das sie sich besonders gefreut haben.

Doch plötzlich hat es Klick gemacht. Wie das so oft ist bei Weltmeisterschaften: Die Euphorie wächst rund um das Team des Gastgebers. Beeindruckende Ergebnisse und spektakuläre Tore wie beim Sieg im Eröffnungsspiel gegen Saudi-Arabien (5:0). Hochspannung und grenzenloser Jubel nach dem Elfmeterschießen gegen Spanien (5:4 n.E.). Der 67. der FIFA-Weltrangliste besiegt einen der Titel-Favoriten, alleine das schon eine Sensation.

Die "Sbornaja" hat neue Fans gewonnen

DW-Sportredakteur Pascal Jochem

Die Mannschaft hat keinen glanzvollen Fußball gespielt, aber dafür voller Inbrunst und Kampfeslust, anders als so mancher früherer Weltmeister. Dafür: Respekt, Russland! Dass am Ende das zweite Elfmeterschießen in Serie verloren ging, geschenkt (5:6 n.E.). In diesen dreieinhalb WM-Wochen ist die "Sbornaja” nicht nur über sich hinausgewachsen, sie hat auch viele neue Fans erobert. Auch jene, die sonst nur wenig mit Fußball am Hut haben, wie sie uns rund um die Spiele erzählt haben. Sie sind trotzdem immer wieder gekommen, ins Stadion und auf die Fanfeste, in Kneipen und in Wohnzimmer, um ihre Mannschaft zu sehen.

"Rossija, Rossija"-Schlachtrufe in den Straßen gehörten zum Alltag in diesen Wochen. Schminke das neue chic, weiß-blau-rot, drei Streifen im Gesicht. Plötzlich sah man überall Fans in russische Fahnen gehüllt oder mit Fußball-Trikots umherlaufen. Auf dem Rücken die Namen der Fußball-Helden: Golowin, Tscheryschew, Dschjuba. Diese WM hat neue russische Stars hervorgebracht.

War Doping im Spiel?

Natürlich bleiben Zweifel. Klar, angesichts des nachgewiesenen Staats-Dopings in Russland. Andere Sportarten sind befallen, warum sollte der russische Fußball sauber sein? Bereits vor dem Turnier gab es Verdachtsfälle. Hinzu kommt die Tatsache, dass Russland bei dieser WM im Schnitt die meisten Kilometer heruntergespult hat. Man sollte weiterhin genau hinschauen. Aber das gilt nicht nur für Russland, sondern für alle. Machen wir uns nichts vor: Generell unternimmt der Fußball auf allen Ebenen gegen Doping viel zu wenig. Der Anti-Doping-Kampf der FIFA und auch der großen Ligen ist reine Makulatur angesichts weniger Stichproben im Wettkampf.

Was bleibt: Die russische Mannschaft hat viele Menschen, ob auf den Straßen von Moskau oder in der Provinz, begeistert. Sie hat ihnen unfassbare, glückliche Momente beschert und Tränen nach dem Viertelfinal-Aus. Sie hat sie für kurze Zeit sogar träumen lassen.