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Politik

Südafrikas verlorenes Jahrzehnt

15. Februar 2018

Ein spätes Valentinsgeschenk für Südafrika: Uneinsichtig bis zum Schluss gab Jacob Zuma dem Druck seiner Partei schließlich nach und erklärte kurz nach Mitternacht seinen Rücktritt. Claus Stäcker kommentiert.

Der polygame Präsident - Jacob Zuma und seine drei EhefrauenBild: AP

Zu Zuma ist eigentlich alles gesagt, alles geschrieben. Er war ein Irrtum. Er hinterlässt einen Scherbenhaufen: korrupte, ineffiziente Staatsbetriebe, eine Volkswirtschaft auf Ramschniveau, Staatsschulden auf Rekordhoch. Ein desolates Bildungs- und Gesundheitssystem. Inkompetente Führungskräfte auf allen Ebenen.

Zuma verkörpert ein verlorenes Jahrzehnt für Südafrika, das 1994 unter Nelson Mandela so verheißungsvoll in eine neue Ära gestartet war. Nur einen Augenblick lang erschien er einer Mehrheit als volksnaher Gegenentwurf zu seinem unbelehrbaren wie unnahbaren Vorgänger Thabo Mbeki. Einer, der das Ohr an der Masse hatte, der mit seiner ländlichen und bildungsfernen Vita symbolhaft für die Abgehängten stand. Der mit seinen traditionellen Tänzen, Kostümen, Kampfliedern und seinem schamlos ausgelebten Polygamismus das Bauchgefühl der Zurückgebliebenen bediente.

Der ANC im populistischen Sog Zumas

Seine fortschrittsverpflichtete und weltweit unterstützte Partei, der Afrikanische Nationalkongress ANC, fiel auf den Zauber herein und konnte den populistischen Sog nicht stoppen. Der ANC hatte Zumas Bauernschläue und Verschlagenheit unterschätzt und wurde in nur wenigen Jahren komplett usurpiert.

Und das von einem, der für gar nichts stand. Außer für Skrupellosigkeit beim Machterhalt, Bereicherung für sich, seine Familie und seine Loyalisten. Zuma nutzte sein Waffenarsenal aus Zeiten des Widerstandskampfes: Als Geheimdienstorganisator hatte er damals akribisch Fakten gesammelt zu Freund und Feind. Als er nun auch noch staatliche Nachrichtendienste und Ermittlungsbehörden unter seine Kontrolle brachte, hatte er gegen fast jeden etwas in der Hand und spielte seine Gegner eiskalt aus. Zwar gelang es ihm nicht, Justiz und Medien zu übernehmen, aber der öffentliche Dienst ist durchsetzt mit Zumas Leuten.

Ramaphosas Mammutaufgabe

Das demonstriert die Mammutaufgabe, die vor Cyril Ramaphosa liegt. Südafrika, das einst als Wirtschaftslokomotive und Hoffnungsträger für einen ganzen Kontinent galt, wird heute im Rest von Afrika kaum noch ernst genommen. Ein Sonderfall mit seiner nie endenden Apartheidgeschichte und der ewigen Schwarz-Weiß-Malerei. Konturlos in der Außenpolitik, inzwischen unberechenbar. Investoren setzen längst auf ganz andere Regionen. Südafrikanische Großkonzerne haben sich multinational aufgestellt und ihr Geld längst ausgelagert.

Claus Stäcker arbeitete viele Jahre als Korrespondent in Südafrika und leitet die Afrika-Programme der DW

Der neue Mann Ramaphosa ist verdächtig still in diesen Tagen. Keine kraftstrotzende TV-Ansprache bisher. Kein öffentliches Triumph-Geheul. Keine Häme und kein Imponiergehabe.

Ramaphosa weiß vermutlich recht genau, was vor ihm liegt. Wie groß der Schaden ist, den Zuma angerichtet hat. Die Opposition fordert zu recht vorgezogene Neuwahlen, die Ramaphosa vermutlich ungelegen kämen. Er will Zeichen setzen, um seine Ausgangsposition vor den regulären nächsten Wahlen 2019 zu verbessern. Ramaphosa will den ANC vor einer Spaltung bewahren, reformieren und zum nächsten Wahlsieg führen.

Kompromisse mit Zumas Anhängern

Dafür wird er Kompromisse machen müssen, Zugeständnisse an Zuma-Unterstützer, die ihm andere Wähler übel nehmen werden. Denn seine Fans erwarten von Ramaphosa, dass er aufräumt, dass er das Vertrauen in Justiz, Behörden und Verfassung wiederherstellt - dass sich Zuma und Co. vor Gericht verantworten müssen. Dass Staatsdiener dem Staat dienen, nicht sich selbst. Nur wenn seiner Führung eine kollektive Rückbesinnung auf diese Säulen der Demokratie gelingt, war das vergangene Jahrzehnt im Rückblick vielleicht doch nicht ganz umsonst.

Aber es wird für Ramaphosa, der zweifellos hervorragende Kompetenzen mitbringt, eine harte Probe. Denn auch der Industrielle und Multimillionär repräsentiert nicht das einfache Volk, sondern die siegreiche Elite. Und mit seinen 65 Jahren die alte Generation der Befreier von der Apartheid, welcher die Jugend immer weniger Kredit gibt. Der sensationelle Aufstieg der linkspopulistischen Economic Freedom Fighters (EFF) unter dem ehemaligen ANC-Jugendchef Julius Malema zeigt, dass die Mandela-Partei die junge Generation nahezu verloren hat.

Afrikas Generationenkonflikt

Ein Generationenkonflikt, der Südafrika mit dem Rest des Kontinents verbindet. Das Vertrauen in die Alten schwindet mit jedem Misserfolg, mit jedem gebrochenen Versprechen. Ramaphosas neues Kabinett wird zweifellos kompetenter sein als die Stümperregierungen, die Zuma aufstellte. Aber es wird gnadenlos an seinen Ergebnissen gemessen werden: wirtschaftlicher Aufschwung statt Vetternwirtschaft. Jobs statt Worthülsen. Perspektiven statt Parolen. Schon 2019, wenn regulär gewählt wird, wird Ramaphosas Reform-ANC sein erstes Zeugnis bekommen.

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