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Politik

Sami A. und der Rechtsstaat

16. August 2018

Erst wird ein Mann, dem die Behörden einen Terroranschlag zutrauen, ausgeflogen. Nun muss er zurückgeholt werden. Was auf viele Bürger wie eine Posse wirkt, ist in Wirklichkeit viel mehr, meint Michaela Küfner.

Das Oberverwaltungsgericht in Münster entschied, dass Sami A. nach Deutschland zurückgeholt werden mussBild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

Im Fall der Abschiebung von Osama Bin Ladens mutmaßlichem ehemaligen Leibwächter Sami A. geht es ums große Ganze. Nicht nur um Deutschlands Migrationspolitik, sondern um die Grundsatzfrage, ob sich die Regierung an die Kontrolle durch die Justiz überhaupt noch gebunden fühlt. Also um die Gewaltenteilung und damit die Grundformel des Rechtsstaates.

Recht oder Rechtsempfinden?

Der Gefährder Sami A. wurde nicht nur entgegen einer richterlichen Anordnung nach Tunesien abgeschoben. Der zuständige Landesinnenminister Herbert Reul empfahl den Richtern gar, ihre Urteile müssten auch "dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen". Sie sollten quasi "gefühltes Recht" vor "Recht" ergehen lassen. Natürlich ist es schwer erträglich, dass sich Sami A. jahrelang seiner Abschiebung entziehen konnte, weil sein Herkunftsland nicht garantieren will, dass er dort nicht gefoltert wird. Doch dass ein Politiker so übergriffig wurd und der Justiz Empfehlungen gibt, ist in einem Rechtssaat ebenso unerträglich.

Michaela Küfner ist Chefkorrespondentin der DWBild: DW/B. Geilert

Gerne hätte Bundesinnenminister Horst Seehofer mit der medienwirksamen Abschiebung dieses prominenten Problemfalls schnell Fakten geschaffen. Seine neue, harte Linie demonstriert. Seine Sprecherin bestätigt, es war ihm "politisch wichtig, dass eine Rückführung von Sami A. zeitnah erfolgt". Anordnungen aus dem Innenministerium habe es aber nicht gegeben. Wer aber Seehofer ein paar mal aus der Nähe erlebt hat, braucht allerdings nur wenig Fantasie, um sich vorzustellen, dass er sich womöglich noch ein donnernd-bajuwarisches "Koste es, was es wolle!" dazu gedacht oder gar hinterhergerufen hat.

Doch der Preis für diesen vermeintlich schnellen Erfolg war zu hoch. Die ranghöchste Richterin des zuständigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Ricarda Brandts, sieht in diesem Fall "die Grenzen des Rechtsstaats ausgetestet". Auch der Deutsche Richterbund und der Anwaltsverein sorgen sich um die Gewaltenteilung. Der Fall zeigt eindrucksvoll, wie weit Horst Seehofer bereit ist zu gehen, um seine angekündigte Korrektur von Merkels Migrationspolitik durchzusetzen. Soll sich doch die Kanzlerin durch die mühsamen Täler des demokratischen Rechtsstaates quälen - Seehofer will Fakten sehen!

Ein gefundenes Fressen für die AfD

Womöglich folgt nun die Schmach, dass Deutschland Sami A. wieder einreisen lassen muss. So lautet das finale Urteil des zuständigen Gerichts. Dieser wäre dann allerdings sofort wieder ausreisepflichtig. Das klingt mehr als nur paradox und ist ein Paradebeispiel für die Unfähigkeit des deutschen Rechtsstaates im Umgang mit potenziell gefährlichen, abgelehnten Asylbewerbern. Und erst recht ein gefundenes Fressen für die rechtsgerichtete AfD.

"In einem Rechtsstaat darf sowas eigentlich nicht passieren" kritisiert der stellvertretende FDP Vorsitzende und Seehofer-Kritiker Wolfgang Kubicki. Wer als Politiker "Ausnahmen" vom geltenden Recht macht, muss sich wie jeder Bürger dem Urteil von Gerichten stellen. Diese sind unabhängig - von Politikern und dem populistischen Zeitgeist, der viele von ihnen zunehmend antreibt. Artikel 1 des Grundgesetztes lautet eben nicht "Eigentlich ist die Würde des Menschen unantastbar." Das weiss eigentlich auch jeder Innenminister - Herbert Reul in Nordrhein-Westfalen genauso wie Horst Seehofer in der Bundesregierung. Doch dort, wo die Relativierung anfängt und Innenminister sich nur noch eigentlich an die Rechtssprechung gebunden fühlen, da wird es dann auch gefährlich für den Rechtsstaat. Und damit ich für den Bürger, der ihm eigentlich vertrauen kann. Wer war doch gleich der Gefährder?

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