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Schade um die Herdprämie!

Kiesel Heiner Kommentarbild App
Heiner Kiesel
21. Juli 2015

Das Urteil aus Karlsruhe zum Betreuungsgeld ärgert nicht nur CSU-Chef Seehofer und seine Parteifreunde. Männer haben jetzt ein Argument weniger, ihre Frauen ans Haus zu binden, beklagt Heiner Kiesel augenzwinkernd.

Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Ganz schön ärgerlich, dass die Richter am Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld - von Kritikern Herdprämie genannt - gekippt haben. Für mich als Mann jedenfalls, weil ich ein Argument weniger habe, meiner Frau einzureden, es sei besser, zu Hause bei den Kindern zu bleiben, während ich weiter an meiner Karriere schraube. Das müssen eine Menge meiner Geschlechtsgenossen so gemacht haben, denn 95 Prozent des Betreuungsgeldes wurde an Frauen ausgezahlt. Als klare gesellschaftliche Fehlsteuerung ist das kritisiert worden, aber da sehe ich mit meiner traditionellen Einstellung kein Problem.

Die Frauen wollen das wahrscheinlich so. Die Befürworter des Betreuungsgeldes haben vehement die "Wahlfreiheit" ins Feld geführt. 150 Euro pro Monat und Kind im Alter zwischen 15 und 36 Monaten gab es bisher. Beruhigend für alle, die das Betreuungsgeld jetzt schon bekommen: Sie und ihre Partner können sich auf eine Härtefallregelung des Sozialgesetzbuches stützen und dürfen sich weiter über die Auszahlung freuen. Zuletzt waren im Bundeshaushalt 900 Millionen Euro für das Betreuungsgeld vorgesehen.

Heiner Kiesel, DW-Korrespondent in Berlin

Urteil zum Betreuungsgeld unangenehm für CSU-Chef Horst Seehofer

Jetzt mal im Ernst: Ärgerlich, wenn nicht sogar peinlich ist der Spruch aus Karlsruhe für CSU-Chef Horst Seehofer. Für den war das Betreuungsgeld eine Art Herzensangelegenheit, mit der er bei der wertkonservativen Wählerschaft mit patiniertem Familienbild Profil zeigen wollte. Jahre hat er darum gekämpft, politische Freunde und Berichterstatter damit genervt. Er hat das Betreuungsgeld mit seinem unermüdlichen Einsatz symbolisch eng mit der CSU und sich selbst verknüpft. Da steht er jetzt, um es bayrisch zu sagen, etwas "bedeppert" da. Der Hohn schallt ihm bereits entgegen.

Da wirkt es kindlich-trotzig, wenn er ankündigt, die Subvention für Familien, die ihre Kinder lieber nicht außer Haus betreuen lassen, in Bayern weiter laufen zu lassen. Zurückstecken möchte er bei dem Thema auf keinen Fall, deswegen kämpft die CSU jetzt dafür, dass der Bund das Geld für die Herdprämie künftig nach Bayern pumpt. Es in eine Verbesserung der Kita-Betreuung zu stecken, wie es die Sozialdemokraten vorschlagen, gefällt ihm offenbar nicht. In Bayern weiß man - das sage ich als Bewohner des Freistaats -, dass ein Vorschlag der Sozis von vornherein verkehrt ist. Die haben es ja auch Seehofer vermasselt. Es waren die "Nordlichter", die SPD-geführte Regierung der Hansestadt Hamburg, die die Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hatte, der das Betreuungsgeld jetzt zum Opfer gefallen ist.

Horst Seehofer kämpft weiter für das BetreuungsgeldBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

Bund kräftigt Föderalismus

Aber um all das geht es bei dem Urteil über das Betreuungsgeld gar nicht. Weder um die Karrierechancen von Frauen, noch um das Familienbild der CSU und die politische Strategie ihres Vorsitzenden. Mit dem Gesetz zu der umstrittenen Familienleistung hat die Bundesregierung in Berlin in den Augen der Karlsruher Richter schlichtweg ihre Kompetenzen überschritten. Bundesweite Regelungen auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge seien nur dann zulässig, wenn sie gleichwertige Lebensverhältnisse herstellen oder zur "Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit" erforderlich sind. Sonst ist die Fürsorge eine Sache der Länder. Beim Betreuungsgeld sehen die Richter die bundesweite Dimension nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat somit ein weiteres Mal die Gesetzgebungskompetenz der Länder gestärkt, das passt bei Familiendingen besonders gut. Horst Seehofer sollte sich eigentlich freuen. Er sollte umgehend aufhören, Bundesmittel für sein Betreuungsgeld zu fordern und stattdessen mit bayerischen Mitteln für diese seine konservative Herzensangelegenheit aufkommen. Das hat auch etwas mit der von ihm geschätzten "Wahlfreiheit" zu tun. In Bayern wählen die Bürger mehrheitlich CSU und nehmen im Paket auch deren familienpolitische Positionen mit. Die kann die CSU im Freistaat somit auch getragen vom Wählerwillen guten Gewissens umsetzen.

Also weiter Herdprämie in Bayern! Und ich sag' meinem Schatz mit Rückenwind aus München: "Bleib zu Hause, du kannst das mit den Kleinen doch viel besser als die im Kindergarten!" Dann arbeite ich mich weiter hoch auf der Karriereleiter. Während die da oben in Hamburg eben lieber mehr Geld für eine kompetente und moderne Erziehung in den öffentlichen Kitas ausgeben wollen. Dann sind sie selbst Schuld, wenn dort die Frauenerwerbsquote höher ist als bei mir daheim in Bayern.

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