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Politik

Schiffbruch im Ankerzentrum

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
1. August 2018

Ob "Ankerzentrum" oder "Ausschiffungsplattform": Lager für Asylsuchende, die innerhalb und außerhalb der EU enstehen sollen, um abzuschrecken, haben schöne Namen. Ihr Nutzen aber bleibt begrenzt, meint Bernd Riegert.

Ankerzentrum Machning: Sicherheitsleute schützen die Anlage, die Menschen dürfen sie verlassenBild: picture-alliance/dpa/S. Puchner

Anker, Anlandung, Ausschiffung, kontrollierte Zentren. Die wohlklingenden Namen, mit denen die Europäische Union ihre Asylpolitik in der Sackgasse bemäntelt, können das eigentliche Probleme nur schwer kaschieren. Es fehlt nicht an theoretischen Konzepten zur Internierung, Abschreckung und Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und Migranten ohne Aussicht auf Bleiberecht. Es fehlt an der Möglichkeit, diese rigorose Politik auch wirklich umzusetzen. Sowohl in Bayern, als auch im Rest Deutschlands oder in den meisten Staaten der EU.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer, der sich neuerdings mit rechtsnationalen Populisten wie dem italienischen Innenminister Matteo Salvini und dem österreichischen Innenminister Herbert Kickl gemein macht, hat sieben Asylbewerber-Unterkünfte in Bayern zu "Ankerzentren" erklärt. Im Wesentlichen wurden die Türschilder an bestehenden Einrichtungen ausgetauscht und neue Büroräume für Behördenvertreter von Asylbehörde, Jugendamt, Arbeitsamt und Stadtverwaltung eingerichtet, um so Verfahren zu beschleunigen.

Illusionstheater in Bayern

Die Ankerzentren sollen nun das leisten, was jahrelang in Deutschland nicht möglich war, nämlich schnelle Entscheidungen über Asylanträge und unmittelbare Abschiebungen nach negativem Bescheid und richterlicher Überprüfung. Das Kernproblem bei diesem Konzept ist und bleibt aber, dass Abschiebungen in Herkunfts- oder gar Transitländer auch aus Ankerzentren heraus nicht über Nacht auf wunderbare Weise funktionieren werden. Dass abgelehnte Asylbewerber heute nur zu einem geringen Teil tatsächlich zurückgeführt werden, liegt vor allem daran, dass die Herkunftsländer die Aufnahme verweigern, die Zustände im Herkunftsland lebensbedrohlich für die Asylsuchenden sind oder sonstige juristische "Abschiebehindernisse" bestehen. Daran ändert das Auswerfen der "Anker" gar nichts.

Dass Innenminister Seehofer es inzwischen geschafft hätte, mit weiteren Herkunftsländern Rückführungsabkommen zu vereinbaren oder zu sicheren Ländern zu erklären, ist nicht bekannt. Seehofer redet viel daher, aber praktisches Handeln ist seine Sache nicht. Auch mit Italien oder Österreich gibt es noch immer keine Verträge zur sofortigen Zurückweisung von Asylbewerbern, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind. Das sollte ja mal die große "europäische Lösung" werden, an der die Berliner Koalition Ende Juni fast gescheitert wäre. Die Eröffnung der "Anker-Zentren" ohne Plan, was mit abgelehnten Asylbewerbern geschehen soll, ist so nur ein Riesengetöse für die bayrischen Wahlkampf, wo Mitte Oktober die CSU, Seehofers Partei, um die Macht fürchten muss.

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Tatsache ist, dass die meisten Asylbewerber, die es nach Europa schaffen, bleiben werden, mit oder ohne positiven Asylbescheid. Manche erreichen eine Duldung, viele tauchen, wenn sie abgelehnt werden, in die Illegalität ab. Da die "Ankerzentren" keine Gefängnisse sind und jederzeit verlassen werden können, darf man annehmen, dass viele abgelehnte Asylbewerber dort nicht tatenlos auf ihre Abschiebung warten werden. Die "Ankerzentren" sind also von zweifelhaftem Wert. Kein Wunder, dass außer Bayern und Sachsen kein anderes Bundesland da mitmachen will.

Illusionstheater in der EU

Auf europäischer Ebene sieht es nicht viel besser aus. Die EU-Kommission hat inzwischen Konzepte für die "Ausschiffungs- oder Anladungszentren" für schiffbrüchige Migranten in Libyen oder anderen nordafrikanischen Ländern skizziert. Da es in der wirklichen Welt keine Staaten gibt, die diese Lager betreiben wollen, wird es sie so nicht geben. Da die Herkunftsstaaten abgeschobene Migranten aus diesen Lagern kaum aufnehmen werden, werden sie eine Illusion bleiben. Da es nicht genügend EU-Staaten gibt, die aussichtsreiche Asylbewerber aus diesen "Anladungsplattformen" aufnehmen würden, kann man an das ganze Konzept einen Haken machen. Das wird übrigens schon seit über 15 Jahren diskutiert und immer wieder verworfen. Dass die Staats- und Regierungschefs der EU diese Lager trotzdem wieder auf dem letzten EU-Gipfel beschlossen haben, zeigt nur, wie verzweifelt sie versuchen, wenigstens einen Minimalkonsens in der Migrationspolitik zu finden.

Nicht viel besser sieht es bei den sogenannten "kontrollierten Zentren" für Asylsuchende aus, die in Hafenstädten an der europäischen Mittelmeerküste entstehen sollen. Auch hier weiß in der EU bis heute niemand, wer diese Lager betreiben soll, wohin bei Bedarf abgeschoben werden soll und wie erfolgreiche Asylbewerber in der EU verteilt werden sollen. Bislang gilt das Prinzip: Freiwillige vor! Gemeldet hat sich niemand.

Die stille Hoffnung der EU ist vielleicht, dass man die Lager sowieso nie brauchen wird, da die Zahl der Ankommenden ja sinkt. Sie sinkt! Es gibt derzeit keine Migrations- oder Flüchtlingskrise. Die wird von interessierten Populisten herbeigeredet, um mit Emotionen Stimmen zu fangen. Sie schaffen ein Problem, das so nicht existiert, rufen "Abschottung!" und warten dann mit Lösungen auf, die nicht umzusetzen sind.

Und übrigens, Bundeskanzlerin Merkel macht da mittlerweile kräftig mit. Sie hat ihr Fähnchen nach dem rechtspopulistischen Wind in der EU gehängt. Sie sollte eigentlich wissen, dass mit Anker-Illusionen die Migration nicht zu steuern ist.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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