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Misstöne aus dem Alphorn

Bernd Riegert9. Februar 2014

Mit knapper Mehrheit haben sich die Schweizer für ein Ende der freien Einwanderung von EU-Bürgern ausgesprochen. Ein Fehler mit Folgen für die Schweiz und Europa, meint Europa-Korrespondent Bernd Riegert.

Deutsche Welle Bernd Riegert

Die Schweizer wollen sich abschotten und die Personenfreizügigkeit, die mit einigen Einschränkungen auch für alle EU-Bürger gilt, abschaffen. Na, sollen sie doch! Sie werden schon sehen, was sie davon haben, könnte man aus Sicht der Europäischen Union in Brüssel sagen. Doch das wäre zu kurzsichtig, denn nicht nur die Schweiz wird die Folgen spüren, sondern auch der Europäischen Union droht jetzt ein Wiederaufflammen der Debatte um freie Wahl des Arbeitplatzes und des Wohnsitzes. Das Thema könnte sogar zu einem der bestimmenden Elemente bei der bevorstehenden Wahl des Europäischen Parlaments Ende Mai werden.

Obwohl die Schweizer Wirtschaftsverbände und alle Parteien außer der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei gegen eine Neuregelung der Einwanderung waren, sind die Schweizer Wählerinnen und Wähler den Isolationisten gefolgt. Das Gefühl, überfremdet zu werden, die eigene Kultur zu verlieren, gab den Ausschlag. Rationale Gründe können es nicht gewesen sein, denn die Schweiz hat von der Zuwanderung qualifizierter Arbeitnehmer aus der Europäischen Union profitiert. Immerhin eine Million EU-Bürger leben in der Schweiz, das ist ein Achtel der Bevölkerung. Jährlich sind rund 80.000 Einwanderer dazugekommen, die in der Schweiz Steuern zahlen und den Sozialstaat kaum belasten. Trotzdem kippte in den letzten Jahren die Stimmung gegen Freizügigkeit, angefeuert von der Volkspartei, die immerhin die größte Fraktion im nationalen Parlament stellt.

Die Schweiz setzt viel aufs Spiel

In Brüssel, in der EU-Zentrale, herrscht Unverständnis über den Schweizer Eigensinn. Man werde die demokratische Entscheidung der Eidgenossen respektieren, heißt es schmallippig. Die zahlreichen bilateralen Verträge, die die Europäische Union und die Schweiz miteinander verzahnen, stehen auf der Kippe. Jetzt kommt es darauf an, ob und wie die Schweizer Bundesregierung die Personenfreizügigkeit mit der EU neu aushandelt. Die inzwischen fast vollständige Integration der Schweiz in den europäischen Binnenmarkt gerät in Gefahr. Das haben die Schweizer offenbar so gewollt, obwohl die EU der größte Handelspartner der Schweiz ist, und auch 480.000 Schweizer in der EU leben. Für Schweizer Bürger gilt die Freizügigkeit künftig auch nicht mehr. Die Initiative, die von den Eidgenossen gebilligt wurde, lässt der Regierung, dem Bundesrat, noch einigen Bewegungsspielraum. Konkrete Einwanderungsquoten sind nicht vorgeschrieben. Die EU-Kommission in Brüssel rechnet mit langwierigen Verhandlungen.

Belastung für den europäischen Wahlkampf

Die Gefahr besteht nun, dass die Diskussion innerhalb der EU über Einwanderung, Ausländer und Freizügigkeit richtig in Fahrt kommt. Das, was die Schweizer machen, plant eigentlich auch der europaskeptische Premierminister Großbritanniens, David Cameron. Er will die Zuwanderung aus neuen EU-Mitgliedsstaaten in sein Land begrenzen und fordert lautstark Reformen von der EU. Auch die bayrische CSU dürfte sich – zumindest klammheimlich – über die Abschottung in der Schweiz freuen. Denn sie liefert Argumente für die Bekämpfung der so genannten Armutseinwanderung aus Rumänien und Bulgarien, die vor allem die konservativen Parteien in Deutschland ausgemacht haben. Für rechtspopulistische Parteien in ganz Europa, ob Marine Le Pen in Frankreich oder Geert Wilders in den Niederlanden, ist die Schweizer Entscheidung höchst willkommenes Futter für den beginnenden Europawahlkampf. Was die reiche Schweiz vormacht, kann ja so falsch nicht sein, werden sie argumentieren.

Legt man Hand an die freie Arbeitsplatz- und Wohnsitzwahl aller Bürger innerhalb der EU, dann greift man einen zentralen Pfeiler der gesamten europäischen Einigung an. Das darf nicht passieren, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen wären ein Desaster. Abschottung, Abgrenzung, nationale Eigenbrödler sollten in Europa eigentlich keine Chance mehr haben.

Die EU sollte bei bevorstehenden Verhandlungen mit der Schweiz konsequent sein. Wenn es keine Freizügigkeit mehr für Personen geben kann, dann darf es auch keine Freizügigkeit für Waren und Kapital mehr geben. Das Geld der reichen Europäer möchten die Schweizer Banken schon noch verwalten, aber die Menschen sollen bitte draußen bleiben. Das geht auf keinen Fall.

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