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Politik

Siemens und kein Ende

Jannis Papadimitriou
Jannis Papadimitriou
3. Dezember 2019

20 Jahre nach Beginn der Siemens-Affäre hat ein Gericht in Athen sein Urteil gesprochen. Die Schmiergeldzahler stehen am Pranger, doch noch immer wissen wir wenig über die Empfänger, meint Jannis Papadimitriou.

Bild: Reuters/Hannibal/Files

Beginnen wir mit den Fakten: 22 ehemalige Mitarbeiter des deutschen Elektronikkonzerns Siemens und des griechischen Telekommunikationsriesen OTE (der mittlerweile im Besitz der Deutschen Telekom ist) wurden zu Haftstrafen zwischen sechs und 15 Jahren verurteilt. Sieben der Verurteilten sind Deutsche, darunter der langjährige Vorstands- und Aufsichtsratschef von Siemens, Heinrich von Pierer. Das Gericht hält es für erwiesen, dass sie Schmiergelder an griechische Entscheidungsträger gezahlt haben, damit der Konzern mit Großaufträgen im Vorfeld der Olympischen Spiele 2004 zum Zuge kam. Aber von Pierer geht in Berufung und deswegen wird der Prozess nun in höheren Instanzen fortgeführt.

Grundsätzlich sind Entscheidungen der griechischen Justiz zu respektieren. Richtig ist aber auch: Zum Schmieren gehören immer zwei - diejenigen, die Schmiergeld zahlen, und diejenigen, die es dankend annehmen. Während die Zahlenden juristisch festgestellt wurden, wissen wir über die Zahlungsempfänger immer noch zu wenig - die konkreten Empfänger blieben bis heute verborgen.

Eine Debatte zur Parteienfinanzierung ist längst fällig

Bisher wollten nur zwei prominente Politiker ihre besondere Nähe zu Siemens einräumen: der ehemalige sozialistische Transportminister Tassos Mantelis sowie Theodoros Tsoukatos, Kassenprüfer der in den 1990er-Jahren regierenden sozialistischen Partei PASOK. Tsoukatos gab zu Protokoll, er habe von Siemens eine Million D-Mark erhalten - aber nicht zur persönlichen Bereicherung, sondern zur Finanzierung der Partei. Laut Tsoukatos hätte die damals allmächtige PASOK allein im Jahr 2000 rund 16 Milliarden Drachmen (umgerechnet 47 Millionen Euro) an Spenden von Privatunternehmen erhalten.

Jannis Papadimitriou ist DW-Korrespondent in Athen

In der Schmiergeldaffäre ist Tsoukatos erst einmal aus dem Schneider - die Vorgänge sind verjährt. Für seine Mitteilungsfreudigkeit wurde der sozialistische Politiker allerdings kaum belohnt. "Die Parteiführung hat mich zum Sündenbock und nicht zuletzt zur Zielscheibe anderer Parteien gemacht", klagt er heute. Dabei hätte die Aussage von Tsoukatos eine spannende Debatte zur Parteienfinanzierung in Griechenland anstoßen können. Diese Debatte hat leider nie stattgefunden. Auch nicht in den 1990er-Jahren, als der Reeder und Zeitungsverleger Aristidis Alafouzos einer staunenden Öffentlichkeit erklärte, er habe dem damaligen Chef der Konservativen, Konstantin Mitsotakis, mit einer Million Dollar unter die Arme gegriffen. Erstaunlich klingt ebenfalls die immer wieder vorgetragene Erklärung der in Griechenland starken Kommunistischen Partei (KKE), sie lehne "aus Prinzip" jegliche Kontrolle ihrer Finanzen ab.

Späte Lehre aus dem Mammutverfahren um Siemens: Es wäre an der Zeit, auch in Griechenland eine ehrliche Debatte zur Finanzierung der politischen Parteien zu führen. Oder zumindest kritische Fragen nicht grundsätzlich auszublenden.

"Pleitegriechen" und "korrupte Deutsche"

Nicht ausgeblendet werden dagegen Stereotype und Pauschalurteile, wenn es der Durchsetzung eigener politischen Interessen dient. "Deutsche Unternehmen sind Weltmeister der Korruption" donnerte der griechische Justizminister Haris Kastanidis in einer Parlamentsdebatte zur Siemens-Affäre im April 2011. Das war auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise, als so mancher in Deutschland Stimmung gegen die "Pleitegriechen" machte und "unsolide wirtschaftende Staaten" aus der Währungsunion ausschließen wollte. Damals tobte der Volkszorn in Hellas. Da wollte ein Athener Minister nicht abseits stehen und fühlte sich veranlasst, den Deutschen eins auszuwischen.

Solche Zeiten sind erst einmal vorbei. Und so schweigt Justizminister in Athen inzwischen und die griechische Justiz versucht ihrer Pflicht nachzukommen. Man sollte sie arbeiten lassen - in aller Ruhe und ohne Vorgaben aus der Politik.

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