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Politik

Simbabwischer Frühling

19. November 2017

Noch weigert er sich abzutreten, doch die Ära Mugabe ist zu Ende. Sein Nachfolger Mnangagwa muss das Momentum nutzen, um politische Gräben zu überbrücken, sonst könnte es auch ihn fortreißen, meint Claus Stäcker.

Bild: picture-alliance/AP Photo/B. Curtis

Harare erstrahlt im Glanz der Sonne, Jacaranda-Bäume treiben pinkfarbene Blüten, in den Parks wird gegrillt und getanzt - vor den Militärfahrzeugen laden Soldaten lachende Pärchen zu Selfies ein. Auf den Straßen liegen sich Menschen aller Hautfarben, Generationen und politischer Lager in den Armen. Simbabwe erlebt einen ganz besonderen afrikanischen Frühling.

"Liebe Welt", schrieb der Publizist und Medienunternehmer Trevor Ncube, "wir sind uns völlig im Klaren über die möglichen Risiken und Fallstricke nach diesem Höhepunkt. Wir sind zuversichtlich, dass wir sie meistern. Ja. Wir erinnern uns auch an Ägypten. Aber bitte gönnt uns nach 37 Jahren Unterdrückung, dass wir diesen Moment genießen."

Einen historischen Augenblick, der mich an den 9. Oktober 1989 in Leipzig erinnert, den ich als Augenzeuge miterleben durfte. Der Moment, als das Volk seine Angst vor der Staatsmacht verlor und die "Wende" einleitete.

Simbabwe hat nun auch seine Wende eingeleitet. Die Ära Mugabe ist nach 37 Jahren Geschichte. Und damit die bleierne Zeit zu Ende, die seit den ersten verfälschten Wahlen 2002 nie enden wollte.

Das Land erlebt diesen Augenblick über alle politischen Gräben hinweg als Dammbruch und unendliche Erleichterung.

Nun beginnt die Arbeit und mit ihr vielleicht auch die Katerstimmung. Der neue starke Mann, Emmerson Mnangagwa, Befreiungskämpfer, Langzeitgetreuer und einst Zellengenosse Mugabes, hat mit sicherem Instinkt die Stimmung erfasst und genutzt. Fieberhaft führt er Bündnisgespräche mit den Heerscharen von Mugabe-Feinden, mit Verprellten, Geschassten und Gedemütigten. Es muss harmonisch aussehen, verfassungsgerecht, staatstragend, volksdienlich. Es muss ihm gelingen, Signale der Versöhnung auszusenden. Angeblich sprach er sogar schon mit enteigneten weißen Farmern.

Sein Kalkül dürfte sein, aus einer Position der Stärke heraus, mit dem Militär im Rücken, die Regierungspartei ZANU-PF in einen erfolgreichen Wahlgang 2018 zu führen. Die Chancen stehen gut dafür, denn die Opposition ist beispiellos zersplittert. Egoismen und Uneinsichtigkeit führten zu mehreren Abspaltungen von der einst starken "Bewegung für Demokratischen Wandel" (MDC), die 2008 die Wahl sogar schon gewonnen hatte.

Claus Stäcker leitet die Afrika-Programme der DW

Zehn Jahre später könnte dem kuriosen Putsch ein regulärer Wahlsieg der ZANU-PF folgen. Der stille Mnangagwa, genannt "das Krododil", ist ein Mann von gestern. Ein Guerilla-Kämpfer, Marxist und Geheimdienstmann. Er steht einem junta-ähnlichen Militärzirkel vor, der Mugabe noch nach der verlorenen Wahl 2008 drängte, mit allen Mitteln im Amt zu bleiben. Es ist dieselbe Clique, die Anfang der 1980er Jahre mit nordkoreanischen Elitesoldaten Massaker an bis zu 20.000 renitenten Ndebele organisierte. Bis heute ist dieser Massenmord nicht aufgearbeitet, auch wenn viele Simbabwer bereit sind zu vergeben.

Mnangagwa ist also allenfalls der Mann der Stunde, aber nicht der Mann von morgen. Umso wichtiger war es, dass sich Hunderttausende Simbabwer, die am Wochenende auf die Straße gingen, nicht für einen Parteiaufmarsch der ZANU-PF missbrauchen ließen. Sie zeigten, wie vielstimmig das Land ist. Und welches Potenzial in dieser Einigkeit liegt. Und genau das muss die nächste Wahl widerspiegeln - eine freie, faire, demokratische, vielstimmige Wahl.

Die Simbabwer haben ihre Angst verloren. Dieses revolutionäre Momentum muss auch der Mann der Stunde, Emmerson Mnangagwa, fürchten. Es könnte sich bald auch gegen ihn richten.

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