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Politik

Somalia zwischen Terror und Exodus der Jugend

Kommentarbild Ludger Schadomsky
Ludger Schadomsky
16. Oktober 2017

Der Anschlag von Mogadischu mit mehr als 250 Toten führt einmal mehr die Tragik des Landes am Horn von Afrika vor Augen. Alle Vorhaben zur Stabilisierung des "failed state" greifen bisher nicht, meint Ludger Schadomsky.

Der Ort des Anschlags in der somalischen Hauptstadt Mogadischu am SamstagBild: Reuters/F. Omar

Der Zeitpunkt war einmal mehr strategisch gewählt: Noch Ende der Woche hatte der Chef des United States Africa Command (AFRICOM) Somalia besucht und gemeinsam mit dem somalischen Präsidenten das Bekenntnis zum Kampf gegen die Terrormiliz Al Shabaab bekräftigt.

Zeitgleich waren in einer offenbar koordinierten Aktion der somalische Verteidigungsminister und der Armeechef  zurückgetreten - offizielle Gründe wurden nicht genannt, aber offenbar fühlten sich beide nicht ausreichend konsultiert bei verteidigungsrelevanten Entscheidungen der Staatsführung.

Ein guter Zeitpunkt also, die Machtlosigkeit der somalischen Regierung und ihrer westlichen Verbündeten zu demonstrieren - entgegen aller vollmundigen Ankündigungen aus Washington und Mogadischu, den Terroristen nun endgültig den Garaus zu machen.

Ziel: maximale Aufmerksamkeit

Zwar hat sich bislang immer noch niemand zu dem Attentat mit mehreren Hundert Todesopfern bekannt. Doch es darf wohl davon ausgegangen werden, dass die Terrormiliz Al Shabaab ihre Hände im Spiel hat. Die hatte ja bereits die Ankündigung der Trump-Administration, den (Drohnen-)Krieg gegen den Terror auszuweiten, bereits mit mehreren Anschlägen gekontert - zuletzt Mitte vergangener Woche im benachbarten Kenia.

Mit Hodan, dem lebhaften Geschäftsviertel der Zwei-Millionen-Metropole Mogadischu, suchten die Attentäter in zynischer Manier einen Anschlagsort aus, der eine Großzahl an Opfern - und damit maximale Aufmerksamkeit - garantieren würde.

Die Proteste der Somalis, die am Sonntag auf die Straße gingen, richteten sich zuvorderst gegen den Terror und seine grausamen Vollstrecker. Doch sie werden sich, sobald die Toten gezählt und bestattet sind, auch gegen die neugewählte Regierung wenden. Denn diese hat es geschafft - wie es schon Tradition ist in Somalia - binnen weniger Monate das Vertrauen der Wähler zu verspielen.

Auch diese somalische Regierung wird scheitern

Als Präsident hat es auch der im Februar mit großen Hoffnungen ins Amt gestartete US-Somali Mohamed Abdullahi Mohamed bislang nicht geschafft, die notorischen Abgründe der somalischen Clan- und Klientelpolitik zu überbrücken. Von der Bekämpfung der ausufernden Korruption ganz zu schweigen. Die von Regierung, UN und Gebern entworfene "Roadmap" für ein stabile(re)s Somalia verliert sich weiterhin im Nichts.

"Wir müssen zusammenstehen gegen die Terroristen" sagte der Bürgermeister von Mogadischu am Anschlagsort. Doch das ist einfacher gesagt als getan in einem Land, in dem Loyalität allein dem eigenen Clan gilt und in dem die Politikerkaste das koloniale Politmodell des "Teile und Herrsche" mit großer Leidenschaft adaptiert hat.

Wie in anderen Ländern der Region ist auch im traditionell gemäßigten Somalia der menschenverachtende Terrorismus, der in erster Linie Muslime tötet, keine religiöse Verirrung - wenngleich sich der Export des saudischen Wahabismus auch am Horn negativ bemerkbar macht.

Das Phänomen Al Shabaab ist vielmehr ein Geschäftsmodell in einem seit 1991 zerfallenden Staat, in dem Piraterie und der illegale Export von Holzkohle Milliardengewinne garantieren. Der Status Quo eines failed states hilft sowohl den Regierenden als auch den Verbrechern - weshalb auch die jüngste Regierungsbildung zum Scheitern verurteilt ist.

Eine Jugend zwischen Terror und Flucht

Gespräche mit Aussteigern zeigen auch in Somalia, dass es weniger religiöse Fanatiker als vielmehr labile Geister oder ganz einfach Verzweifelte sind, die sich den Radikalen anschließen. Die Inkompetenz der politischen Kaste, gepaart mit einem selbst im afrikanischen Vergleich Hang zur dreisten Selbstbereicherung, lässt immer mehr Jugendliche an einer menschenwürdigen Zukunft in ihrem Land zweifeln. Sie packen ihre Sachen und flüchten nach Europa - oder lassen sich von Menschenfängern anwerben. Die Hoffnung, die internationale Staatengemeinschaft habe, jenseits des (erfolglosen!) Kampfes gegen den Terror, ein Interesse an der Stabilisierung dieses strategisch so wichtigen Landes, haben sie längst fahren lassen. Zu Recht, wie die Realpolitik der Briten und Amerikaner und jüngst der Scheichs vom Golf zeigt.

Dass bei dem verheerenden Anschlag auch die Botschaft Katars in Mitleidenschaft gezogen und ein hochrangiger Vertreter verletzt wurde, ist deshalb so bedauerlich wie ironisch. Die politische Krise zwischen dem Emirat und Saudi-Arabien, die ihre Schockwellen bis ans Horn von Afrika schickt, spaltet seit geraumer Zeit die (ohnehin heillos zerstrittene) somalische Regierung. Und verhindert so, dass sich die gewählten Amtsträger ihrem Auftrag widmen: der Befriedung des geschundenen Landes und seiner Bürger.

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