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Politik

Spaniens Sozialisten auf dem Weg in den Untergang

Moreno Ursula Kommentarbild App
Úrsula Moreno
24. Oktober 2016

Druck ist mitunter heilsam: Käme bis zum Wochenende keine Regierung in Spanien zustande, müsste es Neuwahlen geben. Doch die fürchten die Sozialisten. Sie werden auch so einen hohen Preis bezahlen, meint Úrsula Moreno.

Proteste vor der Parteizentrale der PSOE gegen die Duldung der konservativen Regierung durch die SozialistenBild: picture-alliance/AP Photo/P. White

Spanien wird aller Voraussicht nach bis Ende dieser Woche eine neue Regierung haben, die eigentlich die alte ist: ein Kabinett der Konservativen unter Führung des umstrittenen Mariano Rajoy. Die zweitgrößte Partei des Landes, die sozialistische PSOE, hat am Sonntag nach zehnmonatiger Blockade nunmehr den Weg hierfür freigemacht. Ein kleiner Parteitag hat die Duldung einer konservativen Minderheitsregierung beschlossen.

Das erklärte Ziel der Sozialisten: Spanien endlich aus der institutionellen Blockade herauszuholen. Denn die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung ist deutlich zu spüren. Die Bürger haben es satt, einem Kampf von Egoisten zuzusehen, die keine Koalition zustande bringen. Der offizielle Grund, weshalb dies nicht gelang: Niemand will mit der konservativen Volkspartei regieren, die von zahlreichen Korruptionsfällen gebeutelt ist. Die Konservativen haben zwar ihre absolute Mehrheit verloren, sind aber immer noch stimmenstärkste Partei. Es geht also nur schwer ohne sie.

Mit jeder Wahl wird der Verlust größer

In Wirklichkeit ist das wahre Ziel der Sozialisten, einen weiteren - dritten - Urnengang innerhalb eines Jahres zu vermeiden. Denn Tatsache ist, dass sie bei den beiden jüngsten Wahlen das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt haben. Von daher war die Entscheidung, eine konservative Minderheitsregierung zu tolerieren, aus Sicht der Parteiführung das "kleinere Übel". Die Sozialisten stecken in einer tiefen Krise und haben erst vor drei Wochen ihren Vorsitzenden, Pedro Sánchez, in die Wüste geschickt. Der beharrte auf seinem "no es no" (nein ist nein) zu Rajoy und wollte weiter nach einer linken Mehrheit suchen. Elf Monate waren hierfür zu kurz - nun ist es zu spät für ihn.

Úrsula Moreno, Spanische Redaktion der DW

Manche Beobachter glauben nun sogar, die PSOE stünde am Rande der Auflösung. Auf jeden Fall ist davon auszugehen, dass dieses "passive" Mittragen einer konservativen Regierung durch die Sozialisten noch mehr von deren bisherigen Wählern dazu animieren wird, künftig für die "neue Linke" von Podemos (Wir Können), zu stimmen.

Das erklärt, weshalb am Sonntag in Madrid vor der Parteizentrale der Sozialisten eher Katerstimmung angesagt war. Von einem "traurigen Tag für die Partei" sprachen die Delegierten, die gegen eine Tolerierung argumentiert hatten. Doch mit 139 zu 96 Stimmen waren sie am Ende denen klar unterlegen, die ab sofort einer Minderheitsregierung nicht mehr im Weg stehen wollen. Die "Ja-Sager" sind überzeugt, dass sie jetzt eine wirkliche Oppositionsrolle spielen können, da ihnen seitens der Volkspartei nur eine schwache Regierung gegenüber steht.

Doch das ist ein Irrglaube. Die Volkspartei von Mariano Rajoy wird nach Art einer "großen Koalition" nach deutschem Muster regieren, aber ohne wirkliche Kompromisse mit der PSOE einzugehen. Die Sozialisten hingegen, in Grabenkämpfen vertieft, können sich keine Neuwahlen leisten, weil sie absehbar vom Bündnis Podemos links überholt und eine noch krachendere Niederlage einfahren würden. Und so kann Rajoy jederzeit mit vorgezogenen Neuwahlen drohen und wird immer elf Abgeordnete im oppositionellen Lager finden - soviel braucht PP für eine absolute Mehrheit - die dann "vernünftig" sind und dem jeweiligen Gesetzentwurf zustimmen.

Die Basis leidet, Podemos freut sich

Josep Borell, einer der Ikonen der Sozialisten, erinnerte am Sonntag daran, dass die Führung der SPD in Deutschland, bevor sie die gegenwärtige große Koalition mit der Union absegnete, die Basis abstimmen ließ. Die spanischen Sozialisten hingegen haben nun eine vollkommene Kehrtwende vollzogen und erwarten von ihren Mandatsträgern nicht nur in dieser Woche strenge Parteidisziplin (es wird allerdings vor allem unter den katalanischen und baskischen Sozialisten Abtrünnige geben), sondern auch noch die dauerhafte Unterstützung durch die Basis. Ohne dass die jemals die Gelegenheit hatte, ihre Meinung zu äußern.

Wenn sich das neue linke Parteienbündnis "Unido Podemos" sich nicht selbst in Führungskämpfen zerfleischt, wird es auf jeden Fall von dieser Krise der Sozialisten profitieren und sich als die einzige wirkliche Opposition profilieren können. Nicht umsonst twitterte der Vorsitzender Pablo Iglesias am Sonntag: "Das Ende des Zweiparteiensystems. Die große Koalition ist da."

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