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Politik

SPD - so klein, so wichtig

3. Dezember 2017

Gut zwei Monate nach der Bundestagswahl sind alle Augen auf die SPD gerichtet. Keine Frage: Ein Verlierer beherrscht die Medien. Ein paradoxes Phänomen und Indiz für die nächste Krise der Partei, meint Volker Wagener.

Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Es gab gute Gründe, der deutschen Sozialdemokratie nach dem erneuten Frustergebnis von gerade einmal 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl nur noch vorübergehende Aufmerksamkeit zu schenken. Zum einen war die Wahlklatsche nur eine Trendbestätigung, also die Verstetigung eines lang anhaltenden Abstiegs über den schon fast alles gesagt, geschrieben wurde. Und es gab andere Parteien, die im Lichte der Stimmauszählung im Rampenlicht hätten stehen sollen.

Ein Verlierer trumpft auf

Die rechtspopulistische AfD zum Beispiel, zuvor noch ein Gespenst, sitzt nun vom Wähler klar legitimiert im Parlament. Oder die FDP, ein strahlender Sieger, mit dem Charme des Neuen, nach vier Jahren Bundestagsabstinenz inzwischen personell und programmatisch weitgehend unbekannt. Beide, AfD und FDP, waren auf langanhaltendes Medieninteresse abonniert.

Und selbst Angela Merkel und ihre Union, von der eigenen Anhängerschaft fast sturmreif geschossen, bleibt merkwürdig dezent im Hintergrund der aktuellen politischen Debatten. Und das alles wegen der SPD. Denn die graue Maus des Politbetriebs ist gerade wichtig, weil sie gebraucht wird. Im inneren Widerstreit zwischen der Versuchung der Macht und dem trotzig-beleidigtem Rückzug in die Opposition haben die Genossen derzeit hohen Unterhaltungswert.

Die SPD braucht keine Gegner, sie kämpft mit sich selbst

Die nervösen Genossen verheddern sich seit Tagen in maximale Widersprüche. Ein kategorisches Nein zur GroKo wurde abgelöst von einem Nachdenken über politische Forderungen an die Union und mündete anschließend - fast schon mehrheitsfähig in der Partei - in die "staatsbürgerliche Verantwortung" der SPD, um die größte Regierungskrise Deutschlands seit 1949 beenden zu helfen, sprich: also noch einmal kleiner Partner in der Großen Koalition werden. Das ist doch mal eine Wende! Nur die Jusos bleiben bei ihrem Nein.

Selbst handwerklich vermasseln es die Sozis gerade. Ohne Not hatte Martin Schulz, Parteichef in Zeiten sozialdemokratischen Notstands, vor zwei Wochen einen Vorstandsbeschluss erzwungen, in dem eine Neuauflage der Polit-Ehe mit der Union rundweg ausgeschlossen wurde. Inklusive einer Absage an eine Unterstützung für eine Minderheitsregierung. "Schwachsinnig", kommentierte das ein Partei-Promi, der seinen Namen lieber nicht tags drauf in der Zeitung lesen wollte. Mit Spontanentscheidungen wie dieser, verbaut man sich Handlungsoptionen. Tatsächlich rumort es seitdem mächtig bei der SPD - in Ortsvereinen ebenso wie im Willy-Brandt-Haus.

DW-Redakteur Volker Wagener schreibt über Innenpolitik

Und die Probleme sitzen tiefer. Zwar sind die Mühen eines erfolgreichen Wahlkampfs schnell vergessen, doch nicht so bei einer Niederlage. Die Basis ist ermüdet, die Kassen leer. Die tiefe Wunde in der deutschen Sozialdemokratie, die Gerhard Schröder, einer der ihren, mit seiner Politik der sozialen Zumutungen geschlagen hat, schmerzt immer noch. Belege? Die AfD hat prozentual mehr Arbeiter unter ihren Wählern als die SPD. Und die historischen Verbündeten, die Gewerkschaften, mögen die SPD nur noch aus deutlicher Distanz. Kurz: die SPD ist ausgebrannt.

Auch programmatisch gelingt es der SPD nicht, ihre soziale Kompetenz an den Mann und die Frau zu bringen. Immer mehr Menschen brauchen mehr als einen Job, um sich und ihre Familien zu ernähren, doch die SPD taugt nicht mehr so recht als Anwalt der kleinen Leute. Die Gerechtigkeit als Wahlkampfthema war richtig, sagen Experten. Allein, die SPD erreichte damit nicht die Köpfe der Menschen.

Schulz oder Scholz? Eine weitere unwichtige Frage

Jetzt geht es um Taktik. Was die SPD seit dem Scheitern der Jamaika-Sondierung fürchtet wie der Teufel das Weihwasser, sind Neuwahlen. Aus gutem Grund. Es ist schon längst kein Albtraum mehr, sondern erlebte Erfahrung, dass es der Wähler immer noch ein bisschen schlechter mit den Genossen meinen könnte. 

Ausgelaugt, ohne Inspiration und innere Überzeugung, wächst sich das anfangs klare Nein zur Großen Koalition nun deutlich zu einem sehr wahrscheinlich aus. Bleibt die Frage, wer sich als nächster an der Spitze der Partei opfert. Denn Martin Schulz steht für einen Eintritt in ein neues Merkel-Kabinett nicht zur Verfügung, hat er jedenfalls gesagt. Ob der GroKo-Gegner Schulz Parteivorsitzender bleiben sollte, ist mindestens unlogisch. Gut möglich, dass die Partei sich schon bald einen neuen sucht. Der könnte dann Scholz heißen. Der Hamburger Olaf Scholz hat mit der Großen Koalition kein Problem, die Partei aber mit ihm: er ist nicht sonderlich beliebt.

Ob Schulz oder Scholz - es kommt vermutlich am Ende doch die dritte Merkel-GroKo, ein Bündnis zweier Verlierer. Aber Not schweißt ja bekanntlich zusammen.

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