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Klare kante

Gero Schließ1. Mai 2015

Marilyn Mosby hat Strafverfahren gegen sechs Polizisten eingeleitet, die für den Tod des Schwarzen Freddie Gray verantwortlich sein sollen. Die Menschen jubeln, doch die Ankläger tun nur ihre Pflicht, meint Gero Schließ.

Staatsanwältin Marilyn Mosby (Foto: picture-alliance/AP Images/K. Hairston)
Bild: picture-alliance/AP Images/K. Hairston

Das war wohl der schwerste Auftritt von Marilyn Mosby in ihrer erst jungen Karriere als Staatsanwältin. War es gleich ein historischer Augenblick, wie Bürgerrechtsaktivisten kommentierten?

Die Antwort ist simpel: Die Generalstaatsanwältin von Maryland, so ihr offizieller Titel, hat einfach nur ihren Job gemacht. Aber den hat die 35-Jährige, die erst seit vier Monaten im Amt ist, ziemlich gut gemacht.

Denn die Stimmung in Baltimore war nach dem Tod von Freddie Gray und den gewalttätigen Randalen bis zum Zerreißen gespannt, auch wenn es jetzt nach den gewalttätigen Protesten die dritte Nacht in Folge ruhig blieb. Das Misstrauen gegenüber Polizei und Justiz sitzt tief in einer Stadt, in der einem fast jeder Schwarze von gewalttätigen Übergriffen der Polizei erzählen kann, die ihn persönlich, die Familie oder Freunde getroffen haben.

Archaische Dramatik

Marilyn Mosby hat klare Kante gezeigt, als sie jetzt zu einem überraschend frühen Zeitpunkt vor die Presse trat und die Anklagepunkte gegen die sechs Polizisten verlas. Entschlossen im Tonfall und deutlich in der Wortwahl hielt Mosby den Beamten unter anderem Mord mit bedingtem Vorsatz und Totschlag vor. Dass sie dabei mit erhobener Stimme jeden Anklagepunkt einzeln verlas und ihn gleichsam den Beschuldigten vor die Füße schleuderte, verlieh dem Auftritt auf den Stufen des Weltkriegs-Denkmals in Baltimore fast schon eine archaische Dramatik.

Geschickt hat Mosby die schwerwiegenden Vorwürfe gegen die Polizei in einen gleichsam politischen Rahmen gestellt. Auf der einen Seite versprach sie der Familie von Freddie Gray, dass sie unbeirrt für Gerechtigkeit kämpfen werde. Gleichzeitig machte sie klar, dass sie nicht der Racheengel der afro-amerikanischen Community ist. Wie es sich in jedem Rechtsstaat gehört, gilt auch in den USA die Unschuldsvermutung für jeden Angeklagten – bis zum Beweis des Gegenteils.

DW-Washington-Korrespondent Gero Schließ

Der Tod von Freddie Gray hat den Frustrationspegel nicht nur in Baltimore, sondern bei vielen Amerikanern im Lande weiter ansteigen lassen. Wann wird sich endlich etwas ändern? Das fragen sich die Menschen nach den sich dramatisch häufenden Vorfällen der letzten Monate, bei denen junge schwarze unbewaffnete Männer in Polizeiaktionen zu Tode kamen.

Sumpf aus rassistischer Voreingenommenheit

Von Präsident Obama bis zum letzten Demonstranten wollen alle, dass der Gewaltzyklus endlich durchbrochen wird. Gebetsmühlenhaft werden seit Jahrzehnten bessere Schulen, gerechtere Berufschancen und mehr Geld für die benachteiligten – meist schwarzen - Communities verlangt. Gleiches gilt für die Forderungen nach einer besseren Polizei, die immer wieder überfordert und wenig vertrauenswürdig wirkt. Die Einzelheiten, die jetzt aus dem Fall Grey bekannt wurden, sind erschütternd und lassen, wie schon in Ferguson, New York oder zuletzt North Charleston, auf einen tiefen Sumpf aus rassischer Voreingenommenheit und moralischer Verkommenheit schließen.

Generalstaatsanwältin Mosby hat jetzt mit ihrem entschlossenen Auftreten demonstriert, dass das US-amerikanische Justizsystem funktioniert. Dass dies in den USA schon allenthalben Jubel auslöst und als großer Erfolg gefeiert wird, zeigt, wie tief hierzulande Polizei und Justiz in der Krise stecken.

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