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Politik

Steilpass für Erdogan

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper
15. Mai 2018

Die deutschen Fußballer Mesut Özil und Ilkay Gündogan stehen nach ihren Fotos mit dem türkischen Präsidenten Erdogan heftig in der Kritik. Ein klassisches Eigentor der beiden Nationalspieler, meint Oliver Pieper.

Türken unter sich? Der Fußballer Mesut Özil mit dem Präsidenten Recep Tayyip ErdoganBild: picture-alliance/dpa/Presidential Press Service

Wir wissen nicht, was Deniz Yücel sich gedacht haben mag, als er die Bilder der lächelnden Fußball-Nationalspieler Özil und Gündogan neben Recep Tayyip Erdogan gesehen hat. Wahrscheinlich kam sofort die Erinnerung hoch an die einjährige Untersuchungshaft, die der Journalist wegen angeblicher Terrorpropaganda in Erdogans Türkei verbringen musste. Auch Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner dürfte heute an seine monatelange Gefängnisstrafe in der Türkei wegen der angeblichen Unterstützung einer bewaffneten Terrororganisation zurückdenken, als er die persönliche Widmung Gündogans auf dem Trikot seines Klubs Manchester City für Erdogan las: "Für meinen verehrten Präsidenten - hochachtungsvoll!"

In der Propagandafalle Erdogans

Mesut Özil und Ilkay Gündogan, beide in der Ruhrgebietsstadt Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen, sind mit Absicht oder schlichtweg aus Dummheit - Gündogan sprach im Nachhinein von einer Geste der Höflichkeit - in die (Abseits-)Falle Erdogans getappt. Die AKP, die Partei des Präsidenten, stellte die Bilder "der türkischen Fußballer aus der Premier League" sofort in die sozialen Netzwerke. Ein Steilpass für Erdogan im Hinblick auf die im Juni vorgezogenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei.

DW-Redakteur Oliver PieperBild: DW/N. Wojcik

Ein Steilpass aber auch für all diejenigen in Deutschland, die vor allem Mittelfeldspieler Mesut Özil schon immer sehr kritisch sahen, weil er sich in seinen bislang 89 Länderspielen stets dem Mitsingen der Nationalhymne verweigerte, und nun lautstark den Rauswurf der beiden Kicker aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft fordern. Wegen der Bilder aus London kocht die Integrationsdebatte in Deutschland nun erneut hoch und wieder einmal steht die doppelte Staatsbürgerschaft im Kreuzfeuer der Kritik. Zur Erinnerung: Özil besitzt nur den deutschen Pass, Gündogan sowohl den deutschen als auch den türkischen.

Der Taktikfuchs Recep Tayyip Erdogan kann sich nun genüsslich zurücklehnen. Sein Propagandacoup ist aufgegangen: Nach Özils und Gündogans Wahlkampfhilfe kann er jetzt in aller Ruhe schauen, wie der Deutsche Fußball-Bund reagiert und dabei nur gewinnen. Allen nationalistischen Heißspornen in Deutschland muss jedoch klar sein: Hätte der DFB die beiden Mittelfeldspieler aus dem Kader für die WM in Russland geworfen, wäre dies das größtmögliche Wahlkampfgeschenk für Erdogan gewesen. Auftritte vor der türkischen Bevölkerung in Deutschland hätte es dann garantiert nicht mehr bedurft für eine maximale Mobilisierung seiner Wähler.

Öffentliche Kritik reicht nicht

Der Deutsche Fußball-Bund mit seinem Präsidenten Reinhard Grindel, der seit Jahren die Integration und den Kampf für mehr Toleranz und Respekt vorantreibt, hat die Aktion scharf kritisiert. Doch das wird nicht reichen. Meint es der DFB ernst, müssen Özil und Gündogan die dunkelgelbe Karte sehen. Der Rauswurf aus der Nationalmannschaft mag weder politisch noch sportlich sinnvoll sein, nicht aber die Forderung nach einem klaren Bekenntnis zu den Werten des DFB. Mesut Özil und Ilkay Gündogan täten gut daran, Deniz Yücel ins Trainingslager vor der Fußball-Weltmeisterschaft einzuladen und ihm ein Trikot der deutschen Nationalmannschaft zu überreichen. Gerne auch mit der Widmung: "Für die Pressefreiheit!"

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