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Terrorabwehr und Datenschutz im Rechtsstaat

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Jens Thurau
17. Juli 2020

Das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeiten bei der Terrorabwehr im Internet erneut beschränkt. Eine Niederlage für die Regierung ist das aber nicht, meint Jens Thurau.

Bild: picture-alliance/K. Ohlenschläger

Eigentlich ist der Ablauf stets derselbe: Polizeibehörden und Geheimdienste sind darauf angewiesen, rasch auf Telekommunikations- und Internetdaten potenzieller Täter zuzugreifen. Die Politik, von der die Gesellschaft Erfolge im Kampf gegen den Terror oder gegen Kinderpornografie erwartet, steht stets unter Druck, sich den immer raffinierten Methoden des Verbrechens im und durch das Netz anzupassen. Und oft steht am Ende ein Urteil des obersten deutschen Gerichts, des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, dass einen allzu forschen Zugriff des Staates auf persönliche Daten in enge Grenzen zurückweist. So auch diesmal.

Die Karlsruher Richter hatten bereits vor acht Jahren die damaligen Regelungen beim Abfragen von Bestandsdaten wie Name, Anschrift, aber auch der IT-Adresse gerügt. Doch auch nach Reformen genügen die Bestimmungen den hohen Ansprüchen des Datenschutzes in Deutschland nicht. Zwar bleibt es grundsätzlich zulässig, dass die Ermittler die Bestandsdaten abfragen. Voraussetzung, so die Richter, müsse aber das Vorliegen einer konkreten Gefahr oder der Anfangsverdacht einer Straftat sein.

Erfolge mit Hilfe ausländischer Nachrichtendienste

Polizeibehörden und Geheimdienste sind wahrlich nicht zu beneiden: Lange Jahre mussten sie ihre ohnehin schon begrenzen Ressourcen auf den Kampf gegen den islamistischen Terror konzentrieren. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Erfolge dabei auf Informationen von weitaus größeren und mächtigeren ausländischen Nachrichtendiensten wie der US-amerikanischen NSA zurückzuführen waren.

DW-Redakteur Jens Thurau

Inzwischen erklärt die Politik selbst, dass rassistische und rechtsextreme Gewalttaten die derzeit größte Bedrohung für die innere Sicherheit darstellen. Auch diese Verbrecher kommunizieren im Netz. Und auch die immer furchtbarer werdenden kinderpornografischen Gewalttaten finden im Netz statt.

Der Datenschutz ist eine knifflige Sache: Die meisten Menschen interessieren sich wenig dafür, was mit ihren Daten tatsächlich geschieht, bis sie mal unverschuldet zum Opfer von Datenmissbrauch werden. Der Staat übernimmt also die Fürsorge für die Bürger in dieser Frage und zieht Grenzen. Das aber hat dann zur Folge, dass Verbrecher im Netz den Ermittlern zumeist weit voraus sind. Nach jedem Terroranschlag, nach jedem neuen Fall von grässlichem Kindesmissbrauch wird dann die Forderung laut, solche Verbrechen schon im Vorfeld zu verhindern. Aber auch der Speicherung von Internetdaten über längere Zeiträume, die genau solch eine Vorbeugung erst realistisch möglich machen würde, haben oberste Gerichte in Deutschland immer einen Riegel vorgeschoben.

Gesetzliche Möglichkeiten in ständiger Überprüfung

Ein funktionierender Rechtsstaat, in dem Gerichte unabhängig von der Politik Gesetze und Regelungen bewerten und auch verwerfen können, ist ein Segen. Und in diesen unruhigen Zeiten alles andere als eine Selbstverständlichkeit, wie ein kurzer Blick etwa nach Polen oder in die Türkei zeigt. Aber je höher die informelle Selbstbestimmung ist, desto geringer sind auch die Erfolgsaussichten einer effektiven Strafverfolgung auch im Netz. Deshalb sind Schlagzeilen wie "Ohrfeige für die Bundesregierung durch Karlsruhe" einfach nur dumm.

Es ist die Pflicht der Innenexperten in der Politik, die gesetzlichen Möglichkeiten stets zu erweitern und bis an ihre Grenzen auszurichten. Und die Pflicht der Richter, über diese Grenzen zu wachen. Nur so kann beides einigermaßen gewährleistet werden: Der Wunsch der Menschen nach möglichst großer Sicherheit, und das Recht auf informelle Selbstbestimmung.

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