Typisch Elon Musk: Beinahe beiläufig verkündet er, die europäische Tesla-Fabrik im Umland von Berlin zu bauen. Für die deutschen Autobauer kommt diese Ankündigung genau zur richtigen Zeit, meint Henrik Böhme.
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Nur mal angenommen, der neue Berliner Hauptstadt-Flughafen wäre längst in Betrieb. Dann hätte man die neue Tesla-Fabrik womöglich sogar in Tegel bauen können auf dem Gelände des bisherigen Airports - und somit in Berlin. Aber offenbar hat sich der Berliner Flughafen-Desaster bis in die Tesla-Chefetage herumgesprochen, denn der umtriebige und nicht unumstrittene Elon Musk konnte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: Man werde definitiv ein höheres Tempo vorlegen müssen als die Flughafen-Planer. Gebaut werden soll die Fabrik - die, weil es Elon Musk ja immer ein bisschen größer mag, Gigafactory heißt - nun in Grünheide. Kennt kein Mensch, liegt aber südöstlich von Berlin, in der Nähe des vielleicht künftigen neuen Flughafens und vor allem: im Bundesland Brandenburg. Der Stadtkämmerer von Berlin geht also in Sachen Gewerbesteuer leer aus.
Schnell muss es gehen!
Aber mal ganz abgesehen davon, dass in Berlin laut gejubelt wird, obwohl die Musik ja in Brandenburg spielt: Das dürfte einen Elon Musk nicht interessieren. Oder er traut den Berlinern einfach nicht zu, schnell genug zu sein. Flächen zur Ansiedlung hätte Berlin, vor allem im östlichen Teil, reichlich gehabt. Musk hat es eilig mit seiner neuen Fabrik, schnell muss es gehen. Denn: Mittlerweile haben die deutschen Autobauer (endlich!) die Zeichen der Zeit erkannt und legen ihrerseits los mit elektrisch angetriebenen Autos. Und mit Sicherheit hat Elon Musk mitbekommen, dass Volkswagen zum Beispiel vor etwas mehr als einer Woche den Startschuss gegeben hat für eine eigene E-Auto-Fabrik in Zwickau im Freistaat Sachsen. Dort will der weltgrößte Autobauer, wenn das Werk 2021 komplett umgebaut ist von der Verbrenner- zur E-Auto-Fertigung, pro Jahr 330.000 rein elektrisch angetriebene Autos von den Bändern laufen lassen.
Damit nicht genug: Zwei weitere VW-Standorte in Deutschland beginnen gerade mit dem Umbau, und auch in China und in den USA legt VW jetzt mit E-Auto-Fabriken nach. War Tesla für die deutschen Autobauer anfangs ein belächelter Gernegroß und alsbald ein ernstzunehmender Wettbewerber, dürfte sich die Sache jetzt umkehren. Denn Tesla hatte bislang noch immer Probleme mit der Massenfertigung - und schleppt zudem einen gigantischen Schuldenberg mit sich herum. Wenn nun also mit VW der - neben Toyota - größte sogenannte Volumenhersteller der Welt so massiv ins Geschäft einsteigt (wenn auch spät), dann ist das für Tesla eine ernsthafte Bedrohung. Daher darf man Tesla Entscheidung für ein Werk in Deutschland durchaus als Kampfansage verstehen.
Neue Jobs zur richtigen Zeit
Denn auch im sogenannten (hochpreisigen) Premium-Segment, in dem Tesla überwiegend unterwegs ist, kommt die größte Konkurrenz mittlerweile aus Deutschland: von Porsche (mit dem Taycan) und Audi (mit der E-Tron-Reihe) oder Daimer (Mercedes EQC). Auch in China, wo Tesla in nur zehn Monaten seine dritte Gigafactory hochgezogen hat und gerade die Versuchsproduktion angelaufen ist, stehen Dutzende direkte Wettbewerber wie Byton, Wey oder Hongqi in den Startlöchern. Mit Teslas Entscheidung für Deutschland ist das Rennen um die E-Auto-Vorherrschaft nun im Land, in dem das (Verbrenner-)Auto erfunden wurde, offiziell eröffnet.
Mal abgesehen von vielen Fragen, die sich nun noch stellen, ist das vor allem ein gute Nachricht für die Menschen in der Region: mehrere Tausend neue Arbeitsplätze, das kommt gerade zur richtigen Zeit. Denn südlich der geplanten Fabrik - in der Lausitz - fallen absehbar Tausende Jobs weg durch den beschlossenen Ausstieg aus der Braunkohle. Und ab sofort werden Wetten angenommen, was früher fertig wird: der neue Berliner Flughafen oder Teslas deutsche Gigafactory?
Große Elektroauto-Pläne von Daimler, VW und Co.
Auch wenn Deutschland bislang DIE Autonation war - wenn es um Elektrofahrzeuge geht, wird der Markt von Tesla, Renault, Nissan, General Motors und chinesischen Herstellern dominiert. Aber die Deutschen wollen aufholen.
Bild: picture-alliance/dpa/D. Jia
Daimlers elektrische Zukunft heißt EQC
Das erste gute Stück der künftigen Produktfamilie von reinen Elektroautos bei Daimler wurde jetzt in Stockholm vorgestellt. Der erste Aufschlag des Stuttgarter Autobauers ist der EQC, eine elektrische SUV-Variante. Ihm sollen in den kommenden Jahren weitere folgen: vom Kompaktwagen bis zum Luxusauto. Dafür wurden Milliarden investiert.
Bild: picture-alliance/dpa/Daimler AG/Product Communication
Ein E-Bus von Daimler
Als erstes reines Elektroauto brachte der Stuttgarter Autobauer Ende 2014 ein B-Klasse-Modell auf den Markt. Es wird inzwischen nicht mehr produziert. Der erste komplett batteriebetriebene Stadtbus von Mercedes-Benz, der eCitaro (Bild), soll Ende des Jahres im Werk in Mannheim in Serie gehen.
Bild: Daimler AG
Klein, aber elektrisch
Konsequent treibt Daimler seine Smart-Sparte in Richtung Elektromobilität. Ab 2020 sollen in Deutschland und Westeuropa ausschließlich E-Autos der Marke verkauft werden. Die anderen Märkte sollen schnell darauf folgen. In den USA, Kanada und Norwegen werden seit 2017 nur noch e-Smarts angeboten. Hintergrund: Weil der Smart so wenig wiegt, belastet er als Verbrenner die CO2-Bilanz des Konzerns.
Bild: picture-alliance/dpa/Sebastian Kahnert
Daimler dicht auf den Fersen
Fünf Tage nach der Daimler-Präsentation, stellt Erzrivale BMW seinen iNext vor. Weil wir keine Autozeitung sind, haben wir bislang nur diese kleine Bleistift-Skizze. Der iNext soll eine Reichweite von 700 Kilometern haben und autonom fahren. Aber erst ab 2021.
Bild: BMW
BMW hat klein angefangen
Die Bayern hatten zumindest den Mut, schon frühzeitig eine eigene E-Auto-Modellreihe zu kreieren. Seit Herbst 2013 wird der i3 (Bild) produziert, ein Jahr später ging der i8 an den Start. Aber dabei bleibt es nicht. 2020 soll ein batterieelektrisches Auto, ein SAV (Sports Activity Vehicle), auf den Markt kommen. Ebenfalls geplant sind Versionen des i8 als Coupé und Roadster.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas
Volkswagen fährt bereits elektrisch
Der große Konkurrent Volkswagen hat den E-Golf und den E-Up als reine Elektrofahrzeuge im Angebot - den Kleinwagen E-Up seit Ende 2013, den E-Golf seit Anfang 2014. Unter den rein elektrischen Pkw ist der E-Golf das meistverkaufte Elektroauto in Deutschland. Und die Zukunft?
Bild: Getty Images/J. Schlueter
Die elektrische VW-Familie
Derzeit baut Volkswagen sein Werk in Zwickau (Sachsen) komplett um, dort soll ab dem kommenden Jahr die sogenannte I.D.-Familie produziert werden, eine eigenständige Elektro-Plattform. Neben einem Golf-ähnlichen Gefährt soll auch der Bully auferstehen, der dann aber I.D. Buzz heißen soll.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck
Auch Audi macht Daimler und BMW Elektro-Konkurrenz
Nur Tage nach Daimler und BMW zeigt Audi am 17. September seinen elektrischen Premiumwagen: ein SUV. Der e-tron (im Bild die Konzeptstudie) ist Audis erstes reines Elektrofahrzeug. Bis 2020 sollen ein elektrisches SUV-Coupé, ein Sportwagen und ein Kompaktauto folgen. Ab 2025 will Audi dann jährlich mindestens 800.000 Elektroautos und Plug-in-Hybride verkaufen.
Bild: picture-alliance/Imaginechina/B. Kelin
Der Inbegriff des deutschen Sportwagens - bald elektrisch
Auch Porsche steckt derzeit Milliarden in Elektromobilität. Der erste rein elektrische Porsche ist 2020 zu erwarten. Sein Name: Taycan. Das kommt aus dem Türkischen. Tay heißt Fohlen und Can steht für Leben oder Seele. Porsche übersetzt es frei in "lebhaftes, junges Pferd" - passend zum Logo des Autobauers.
Bild: 2018 Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
Opel will Zwischenlösung bald beenden
Opel-Fans können seit 2012 elektrisch fahren: mit dem Ampera. Er ist aber nur eine Zwischenlösung, weil er auf einem General Motors-Modell basiert. Opel muss den Wagen importieren, für die EU umrüsten und hohe Lizenzgebühren an GM zahlen. Daher setzt der neue Opel-Eigner PSA künftig auf selbst entwickelte Stromer. Für 2020 ist ein Corsa mit Elektro-Antrieb geplant und bis 2022 vier e-Modellreihen.
Bild: Opel AG
Start-Ups tummeln sich auf dem Markt für Elektroautos
Nicht nur alteingesessene Autobauer mischen bei der Elektromobilität mit. Erst 2015 wurde in Aachen die e.GO Mobile AG gegründet. Im März 2017 präsentierte das junge Unternehmen sein erstes Serienmodell e.GO Life. Es soll ab Ende 2018 ausgeliefert werden - ab 15.000 Euro. Das Start-up-Unternehmen ist eine Ausgründung der RWTH Aachen.
Bild: picture-alliance/dpa/e.GO Mobile AG
Deutsche Post baut sich E-Transporter selbst
Weil die etablierten Hersteller nicht in der Lage waren, elektrische Transporter in großer Stückzahl zu liefern, ergriff die Deutsche Post selbst die Initiative. 2014 übernahm sie den Hersteller StreetScooter und entwickelte den gleichnamigen Elektrotransporter für den Eigenbedarf. Über 6000 davon kurven mittlerweile für die Post durch die Republik.
Bild: Deutsche Post AG
Große deutsche Pläne nicht erfüllt
Gut 17.200 Elektrofahrzeuge wurden im ersten Halbjahr 2018 in Deutschland neu zugelassen, dazu noch knapp 16.700 Hybrid-Autos. Das macht ein Plus von 51 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und einen Marktanteil von 1,8 Prozent. Im Vergleich zu China oder Norwegen ist das wenig. Und das ursprüngliche Ziel, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu erreichen: in weiter Ferne!
Bild: picture-alliance/dpa/H.Hanschke
Marktdurchbruch in Deutschland wird kommen
Während in China E-Autos schon wesentlich mehr verbreitet sind, rechnen Experten für Deutschland erst ab 2020 mit einer deutlichen Steigerung der Marktdynamik. Ein Grund sind die schärferen CO2-Grenzwerte der EU, die die Autobauer dann einhalten müssen.