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Politik

Alarmzeichen und Hoffnungsschimmer

Scholz Kay-Alexander Kommentarbild App
Kay-Alexander Scholz
27. Oktober 2019

Nach der Wahl in Thüringen sind die politischen Ränder breiter als in jedem anderen Bundesland. Nun muss die CDU zeigen, dass ihr Anspruch, politische Mitte zu sein, nicht nur ein Slogan ist, meint Kay-Alexander Scholz.

Bild: picture-alliance/dpa/L. Schulze

Nun haben wir den Salat. In Thüringen bilden die politischen Extreme die Mehrheit. Die Linkspartei, Nachfolgepartei der einstigen DDR-Regierungspartei, hat die meisten Stimmen geholt. Die Rechtspopulisten von der Alternative für Deutschland (AfD), die in Thüringen besonders extrem sind, liegen an Platz zwei.

Das kleine Thüringen mit 2,1 Millionen Einwohnern ist damit das Bundesland in Deutschland, in dem die politische Polarisierung am stärksten ist. Bei Wahlkämpfen im Land war diese Zerrissenheit schon spürbar. Genauso wie das, was danach kommen könnte - dass politische Gegnerschaft in handfeste Auseinandersetzungen mündet.

Eine wachsende Feindlichkeit zwischen Personen, die unterschiedlicher Meinung sind, bereitet jungen Menschen inzwischen mehr Sorge als wirtschaftliche oder soziale Probleme. Das ergab jüngst eine große Jugendstudie. Die Sorgen sollten sich alle machen.

Übrig ist die CDU

Von den mehr oder weniger bürgerlichen Parteien ist in Thüringen nicht viel übrig geblieben. SPD, FDP und Grüne haben nur noch Stimmen im einstelligen Prozentbereich geholt. Übrig ist die CDU, die deutschen Christdemokraten. Trotz immenser Verluste sind über 20 Prozent für sie ein Hinweis darauf, dass es eine politische Mitte noch gibt. Das Wahlergebnis ist deshalb nicht nur Alarmsignal, sondern auch ein Hoffnungsschimmer.

DW-Redakteur Kay-Alexander Scholz

Die CDU muss nun die Rolle des gesellschaftlichen Vermittlers übernehmen, unabhängig davon, wie die schwierigen Koalitionsgespräche und die Regierungsbildung in diesem Bundesland verlaufen werden.

Es geht nicht nur um Thüringen

Ausgleich und Kompromiss-Suche sind politisch bürgerliche Tugenden, die ein Revival brauchen. Was für die CDU in Thüringen gilt, sollte auch für die Bundes-CDU gelten. Annegret Kramp-Karrenbauers Bestreben als Parteivorsitzende sollte sein, die CDU als Partei der Verantwortung für ein neues Miteinander aufzustellen.

Was unklug wäre: Noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, um sich ein vermeintliches Profil zu geben. Auf die Linkspartei und/oder die AfD entweder nicht zu reagieren oder nur verbal auf sie einzuprügeln, löst auch keine Probleme.

Neue Verantwortung ist gefragt

Es gibt eine Tradition der Verantwortung in der CDU. Sie trat früh ein für ein Zusammengehen in Europa und glaubte in Zeiten der deutschen Teilung weiterhin an die Wiedervereinigung. Nun muss das Ziel sein, Deutschland zusammenzuhalten und die politischen Ränder im Griff zu behalten.

Das geht vielleicht am besten, indem die CDU sich selbst wieder ein schärferes Profil gibt, das in der Mitte der Gesellschaft attraktiv ist. In Europa ließen sich da möglicherweise Vorbilder finden. So manche christdemokratische Partei konnte jüngst mit einem klaren liberal-konservativen Profil ordentliche Wahlerfolge feiern und damit die politische Mitte wieder stärken, wie etwa in Österreich.

Auf Wahlplakaten und Parteitagswänden hat die CDU immer wieder ihren Anspruch festgehalten, die politische Mitte sein zu wollen. Das war nicht sonderlich schwierig in Zeiten, in denen sich auch die anderen Parteien in der Mitte tummelten und sich beinahe schon gegenseitig auf die Füße traten. Nun muss die CDU zeigen, dass sie ihren Anspruch auch umsetzen will und kann. 

Wird der Prozess der Polarisierung nicht gestoppt, dann könnte auch irgendwann im Bund die Situation eintreten, die sich in Thüringen nun zeigt. Ein Regierungsbündnis der Mitte wird immer schwieriger.

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