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Politik

Therapie mit schlechten Vorzeichen

Hofmann Max Kommentarbild
Max Hofmann
14. Januar 2019

Nach den wochenlangen Protesten gegen seine Politik hat der französische Präsident Macron einen Brief geschrieben. Darin sucht er die Versöhnung mit dem Volk. Die wird mühsam, ist aber nicht unmöglich, meint Max Hofmann.

Bild: Reuters/M. Euler

Am Sonntagabend schickte der Präsident ihn endlich los, den lange angekündigten Brief an seine Bürgerinnen und Bürger. 32 grundlegende Fragen stellt er darin. Sie kreisen um Steuern, Umwelt und den Staat an sich. Und er erklärt, wie er in den nächsten Wochen wieder ins Gespräch mit den Franzosen kommen will. Kommunikation ist halt alles, vor allem wenn es darum geht eine Beziehung zu retten.

Zwei Monate lang soll ganz Frankreich über elementare politische Fragen diskutieren, z.B. in Rathäusern, auf der Arbeit oder auf Wochenmärkten. Macron selbst macht den Auftakt der "großen Debatte", am 15. Januar in der Normandie. So etwas Ähnliches hatte er schon mal versucht, als er sich im vergangenen Herbst auf große Tour begab, um des 100-jährigen Endes des Ersten Weltkrieges zu gedenken. Auch damals ging es darum, den Kontakt zum Volk wieder herzustellen, ein bisschen vom Geiste seines Wahlkampfes vor zwei Jahren auferstehen zu lassen.

Wollen die Franzosen die Versöhnung überhaupt?

Allerdings scheinen diese Tage mit den seit über zwei Monaten andauernden Proteste der Gelbwesten endgültig passé. Am Wochenende verbuchten die Behörden wieder steigende Teilnehmerzahlen. 84.000 waren es in ganz Frankreich und die Intensität der Gewalt scheint zuzunehmen. Da muss die Frage erlaubt sein, ob die Franzosen die Beziehung zu ihrem Präsidenten überhaupt kitten wollen?

Inhaltlich, so hat Macron in seinem Brief klar gemacht, wird er keinen radikalen neuen Kurs einschlagen. Vielmehr wirbt er um Verständnis für den, den er eingeschlagen hat und für seine damit verbundenen Überzeugungen. Er versucht klar zu machen, dass der französische Staat nur soviel ausgeben kann, wie er auch einnimmt. Er insistiert, dass nichts am "ökologischen Wandel" vorbei führt. Er bleibt dabei, die kürzlich abgeschaffte Reichensteuer nicht wieder einzuführen. Viel von dem Zündstoff, der die Gelbwesten-Bewegung erst entfachte, ist immer noch da.

Max Hofmann leitet das DW-Studio in Brüssel

Lebenselixier der Gelbwesten-Bewegung

Nun hofft der französische Präsident offenbar, dass er der Bewegung mit seiner Kommunikationsbereitschaft den Wind aus den Segeln nehmen kann. Das wäre sicherlich erfolgsversprechender, wenn die Verstimmung zwischen Präsident und Volk auf einer Reihe von Missverständnissen beruhte. Das ist allerdings nicht der Fall. Macron hatte schon im Wahlkampf recht klar gemacht, welchen Stiefel er durchziehen wollte und ziemlich genau das tut er auch. Arbeiten kann er eigentlich nur an seinem Stil, der oft als herrschaftlich empfunden wird, und an kleineren Kurskorrekturen. Sonst würde er in den Augen vieler an Glaubwürdigkeit verlieren, so wie einige seiner Vorgänger, die vor Gewerkschaften und dem Wut der Straße einknickten.

Aber wird das reichen? Das Signal der Gelbwesten am Wochenende war recht eindeutig. Sie scheinen sich nicht groß um die Charmeoffensive ihres Präsidenten zu scheren. Der Konflikt mit ihm ist das Lebenselixier der Bewegung, daran wird sich nichts ändern. Aber was ist mit dem Rest der Nation? Umfragen zufolge meint ungefähr die Hälfte der Franzosen, jetzt sei es genug mit der Protestbewegung. Es gibt sie also noch, die Unterstützer des Präsidenten. Eine klare Handlungsanleitung für Macron lässt sich daraus dennoch nicht ableiten.

Den Franzosen steht viel Therapie bevor

Deshalb tut er vermutlich das einzig Mögliche für einen Staatschef in seiner Position. Er übt keinen Verrat an seinen eigenen Überzeugungen, mit denen er ja schließlich zum Präsidenten gewählt wurde. Gleichzeitig gelobt er Besserung in Stilfragen und zeigt sich offen für alle Vorschläge, die sich bei der großen Debatte der nächsten Monaten herauskristallisieren könnten.

Natürlich hofft er auch, dass seine Reformen erste Wirkung zeigen und den Gelbwesten in der Zwischenzeit die Luft ausgeht. Das ist eine Rechnung mit vielen Variablen, klappen könnte es dennoch. Aber in politischen Beziehungen ist es häufig so wie in zwischenmenschlichen. Sie sind wesentlich einfacher zu zerstören als wieder aufzubauen. Jedenfalls steht Macron und den Franzosen in den nächsten Monaten viel Therapie bevor – mit ungewissem Ausgang.

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