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Politik

Tragischer Triumph für Salvini

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
11. Juni 2018

Der neue italienische Innenminister hat hartes Durchgreifen gegen Migranten angekündigt. Jetzt macht er Ernst. Bald schon wird die ganze EU-Migrationspolitik unter noch größeren Druck geraten, meint Bernd Riegert.

629 Menschen, die von verschiedenen Schiffen gerettet worden sind, befinden sich an Bord der AquariusBild: picture-alliance/dpa/L. Klimkeit

Eine Überraschung ist es nicht, dass der rechtsradikale Innenminister von Italien, Parteiführer Matteo Salvini, zeigen will, dass er durchgreifen kann. Er hat die Macht. Und die nutzt er, um seinen Wählerinnen und Wähler zu beweisen, dass er tatsächlich umsetzt, was er im Wahlkampf versprochen hat: Grenzen zu, keine Rücksicht auf Verluste, Italien zuerst. Die aus dem Meer gefischten Migranten werden im Handumdrehen zum Faustpfand. Salvini will Malta zwingen, die aus Seenot Geretteten aufzunehmen. Auch jedes andere EU-Land dürfe sich beteiligen und die Menschen aufnehmen, tönt es aus der "Lega"-Partei. Dass Spanien sich jetzt so schnell bereit erklärt, die Migranten in Not aufzunehmen ist eine schöne Geste der neuen sozialistischen Regierung. Sie macht es dem neuen Herrn im römischen Innenministerium damit aber auch einfach. Seht her, kann er sich rühmen, der Druck wirkt.

Politik mit der Brechstange

Salvini wird sich jetzt erst recht bestärkt sehen in seiner rücksichtslosen Politik nach Vorbild des Populisten Donald Trump: Italien schließt seine Häfen für die Rettungsschiffe von Hilfsorganisationen. Basta! Die Appelle der Europäischen Kommission, doch bitte die humanitären Aspekte des Dramas zu berücksichtigen, verhallen ohne Echo. Auch der Hinweis, dass die EU-Staaten vertraglich verpflichtet sind, in solchen Streitfällen zu kooperieren, klingt etwas hohl. Seit Jahren streiten die Mitgliedsstaaten um die Verteilung von Flüchtlingen und Migranten in der EU, ob nun mit oder ohne Quote, bislang ohne Ergebnis. Seit Jahren erkennt die EU an, dass Italien und Griechenland als "Erstaufnahme-Staaten" zu stark belastet werden. Nur geschehen ist wenig.

Bernd Riegert ist DW-Korrespondent in Brüssel

Europäische Solidarität gibt es in der Migrationsfrage nicht. Schon vor dem Regierungswechsel in Rom hat auch die alte Regierung mehrfach, Schiffe mit geretteten Migranten abgewiesen. Nach einigem Hin- und Her wurden sie dann aber doch in die Häfen gelassen. Auch Malta hat sich immer wieder geweigert, Asylbewerber oder Migranten an Land gehen zu lassen, was bei einem Zwergstaat auch verständlich sein mag. Schon einmal ist Spanien vor Jahren in vergleichbarer Lage in die Bresche gesprungen.

Malta und Italien haben eigentlich ein Abkommen geschlossen, nach dem Italien die Migranten übernimmt. Doch das scheint den Populisten Matteo Salvini nicht zu interessieren. Er setzt sich darüber hinweg. Wahrscheinlich verstößt Italien auch gegen internationales Seerecht. Ganz sicher verstößt es aber gegen den Geist und die Vereinbarungen zur Sicherung der gemeinsamen Außengrenzen durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Im Auftrag von Frontex überwacht die italienische Marine das Seegebiet zwischen Libyen und Italien. Sie ist für die Rettung und die anschließende Anlandung der Migranten zuständig. Sie steuert mit ihrer Einsatzzentrale auch die privaten Rettungsorganisationen, die im Mittelmeer kreuzen. Im vorliegenden Fall hat die italienische Marine gerettete Schiffbrüchige sogar auf das fragliche Schiff gebracht. Italien kann also nicht so tun, als ginge es das Ganze nichts mehr an, weil Malta sich weigert, seinen Hafen zu öffnen und nun Spanien einspringt.

Reform der Dublin-Regeln überfällig

Ein verzwickter Fall, der die EU dringend mahnt, einen Kompromiss in den Asylverfahren zu finden. Die alten "Dublin"-Regeln zur Erstaufnahme von Asylbewerbern müssen schnellstmöglich reformiert werden. Die viel beschworene Verbesserung des Schutzes der Seegrenze zu Libyen bringt wenig, wenn nicht vorher klar ist, wohin aufgehaltene, abgefangene Asylbewerber oder Migranten gebracht werden sollen. Sichere Häfen könnten auch in Tunesien oder Libyen selbst liegen. Auch darüber muss gesprochen werden. Doch da bewegt sich im Moment gar nichts.

Dem italienischen Rechtsradikalen ist jetzt, wie zu erwarten, der Kragen geplatzt. Er versucht es mit der Brechstange - zum Beifall seiner Anhänger. Diese Methode à la Trump wird noch viel Schaden in den Beziehungen innerhalb der EU anrichten.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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