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Politik

Trump facht den Nahostkonflikt an

Sollich Rainer Kommentarbild App
Rainer Sollich
6. Dezember 2017

Mit seiner Entscheidung, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, riskiert Donald Trump eine gefährliche Eskalation. Leidtragende könnten Palästinenser und Israelis gleichermaßen sein, meint Rainer Sollich.

Bild: Reuters/K. Lamarque

Beinahe die ganze Welt hatte den US-Präsidenten vor diesem Schritt gewarnt: Palästinenser, arabische und islamische Staaten sowieso - aber auch Deutschland, Großbritannien, die Europäische Union, Russland und der Papst. Auch mehrere israelische und jüdische Stimmen, wie die traditionsreiche israelische Zeitung "Haaretz" und der Zentralrat der Juden in Deutschland, äußerten Kritik. Sie alle haben Donald Trump nicht stoppen können.

Trump hat seine Ohren auf taub gestellt. Ungeachtet aller Warnungen und Befürchtungen vor einer neuen Gewaltexpolosion im Nahen Osten hat er sein Wahlkampfversprechen eingelöst und Jerusalem einseitig als Hauptstadt Israels anerkannt - einschließlich des Umzugs der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv in die Juden, Christen und Muslimen gleichermaßen "Heilige Stadt".

Demütigung der Palästinenser

Das ist nicht zuletzt symbolisch ein schwerwiegender Schritt, denn viele Araber und Muslime - auch außerhalb der Palästinensergebiete - dürften dies als schwere Demütigung und als politische Niederlage empfinden. Alles, was mit Jerusalem zu tun hat, lässt dort seit jeher die politischen und religiösen Emotionen hochkochen. Auf der politischen Ebene brechen die USA nicht nur demonstrativ und ohne jede Not mit einem Jahrzehnte währenden Konsens der internationalen Nahost-Diplomatie, demzufolge der Status Jerusalems erst im Zuge einer finalen Friedensregelung geklärt werden soll - immerhin beanspruchen die Palästinenser den Ostteil Jerusalems als Hauptstadt für einen eigenen zukünftigen Staat. Die USA haben mit Trumps Entscheidung faktisch auch als einziges Land weltweit nachträglich die bisher klar als völkerrechtswidrig geltende Annexion Ost-Jerusalems legitimiert.

Rainer Sollich, Leiter der arabischen Online-Redaktion

Trump schafft damit vollendete Tatsachen und führt den Palästinensern und der arabisch-islamischen Welt die eigene Schwäche und Ohnmacht vor Augen. Wütende Demonstrationen, Gewaltausbrüche, Terror, Protestnoten, Abbruch von politischen Kontakten oder diplomatischen Beziehungen: Viele schwerwiegende Reaktionen drohen nun zu folgen, und der US-Präsident trägt mit seiner irrwitzigen und hochgefährlichen Entscheidung die volle Verantwortung dafür. Politisch ist sie durch nichts zu rechtfertigen. Trump facht damit nur mutwillig und auf gefährlichste Weise den Nahostkonflikt neu an.

Vollendete Tatsachen

Ein wie auch immer geartetes Einlenken Trumps dürfte aber trotz aller Proteste unwahrscheinlich bleiben. Ein unabhängiger Palästinenser-Staat - sofern er denn je kommen wird - wird sich wohl nicht nur eine neue Hauptstadt suchen, sondern auch weitere schmerzliche Konzessionen hinnehmen müssen. Die Achse zwischen den USA und Israel ist derzeit so eng und so stark, dass Palästinenser und Araber machtlos dagegen sind - zumal viele arabische Staatschefs bei aller öffentlich zur Schau getragenen Solidarität mit den "palästinensischen Brüdern" in Wirklichkeit ganz andere Prioritäten verfolgen.

So hatte zwar auch das regionale Schwergewicht Saudi-Arabien den US-Präsidenten frühzeitig vor einer einseitigen Veränderung des Status von Jerusalem gewarnt. Doch die Saudis krempeln derzeit ihre internen Machtstrukturen um und bekämpfen zunehmend verbissen den steigenden Einfluss ihres geostrategischen Rivalen Iran. Dafür sind sie auf starke Partner wie Trump angewiesen und streben trotz fehlender diplomatischer Beziehungen hinter den Kulissen eine Kooperation mit Israel an, das den Iran ebenfalls als gefährliches Sicherheitsrisiko betrachtet. Saudi-Arabien ist zwar als eine Art Pate für einen künftigen Nahost-Frieden im Gespräch. Doch jeglicher Fortschritt auf diesem Gebiet dürfte durch Trumps Entscheidung auf absehbare Zeit unmöglich bleiben, und in Wirklichkeit dürfte den Herrschenden in Saudi-Arabien das Schicksal der Palästinenser ähnlich gleichgültig sein wie der iranischen Führung, die ihre eigenen machtpolitischen Ambitionen gerne hinter pro-palästinensischer Rhetorik und Hassparolen gegen Israel verbirgt.

Die USA würden mit ihrer Entscheidung lediglich die Realität anerkennen und blieben dem Ziel eines Nahost-Friedens verpflichtet, beteuerte Trump bei Bekanntgabe seiner Entscheidung. Das kann man nur noch zynisch nennen. Denn Leidtragende der nun zu befürchtenden Entwicklung könnten Israelis und Palästinenser gleichermaßen sein.

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