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Politik

Trumps historischer Wahlsieg und viele offene Fragen

Michael Knigge Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Michael Knigge
9. November 2016

Was bis vor kurzem kaum vorstellbar war, ist passiert: Donald Trump wird der 45. Präsident der USA. Der Schock sitzt tief und die Auswirkungen in den USA wie auch weltweit sind kaum absehbar, meint Michael Knigge.

Bild: Getty Images/S. Platt

Donald Trump hat es geschafft. Mit seinem auf persönlichen Beleidigungen, Arroganz und Unwissenheit aufgebauten Wahlkampf hat er es nicht nur geschafft, die niedersten Instinkte einer von der Politik enttäuschten Wählerklientel zu aktivieren, sondern mit dieser Strategie hat er auch noch die Wahl gewonnen. Doch mehr als das: Trump hat nicht nur gewonnen, er hat einen klaren Sieg erzielt, den in dieser Höhe praktisch niemand für möglich gehalten hat.

Trumps Erfolg ist der Triumph eines aufrührerischen, teils menschenverachtenden Vulgär-Populismus und eine schallende Ohrfeige für das Establishment und die politische Elite in den USA und für dessen Repräsentantin, Hillary Clinton. Clinton war eine dankbare Gegnerin, da sie fast genauso unbeliebt war wie Donald Trump selbst. Zudem lieferte sie ihm durch die von ihr selbst ausgelöste Email-Affäre ständig ausreichend neue Munition, um seine Angriffe dauerhaft fortsetzen zu können. Dennoch erklärt Clintons Unbeliebtheit allein nicht den dramatischen Wahlerfolg Trumps.

Michael Knigge berichtet von den US-Wahlen

Trump als Vehikel für Unzufriedenheit 

Vielmehr ist Trumps Sieg Ausdruck einer seit langem unterschwellig spürbaren tiefen Unzufriedenheit, wenn nicht sogar eines Hasses von weiten Teilen der Bevölkerung. Hass auf den Status quo, die Globalisierung und das politische System in Washington. In zahlreichen Umfragen hatten viele Amerikaner wiederholt bekundet, dass ihr Lebensstandard und ihre Zukunftsaussichten schlechter seien als für ihre Elterngeneration. Trump war das passende Vehikel und Ventil, um die Unzufriedenheit vor allem der traditionellen weißen Arbeiterklasse politisch umzusetzen. Und Hillary Clinton seine passende Kontrahentin. Ihr schwer erarbeiteter Wahlsieg in der demokratischen Vorwahl gegen Bernie Sanders, einem bis dato weithin unbekannten Sozialisten aus Vermont, war ein Warnsignal. Und wie wir jetzt wissen: ein Verweis auf das, was noch kommen würde. 

Trumps Erfolg ist aber auch eine schallende Ohrfeige für die etablierten Medien, die Thinktanks mit all ihren Experten und für die Meinungsforscher. Denn kaum einer von ihnen hatte ernsthaft mit einem Wahlsieg Trumps gerechnet. Und Trumps Erfolg ist schließlich ebenfalls ein Schlag ins Gesicht der traditionellen westlichen Bündnispartner der Vereinigten Staaten, die sich größtenteils offen für Clinton und gegen Trump ausgesprochen hatten. Freude dürfte der Sieg des Republikaners dagegen im Kreml auslösen - hatte Trump sich doch wiederholt lobend über Wladimir Putin geäußert.   

Trumps Wahlsieg stellt globale Rolle der USA infrage

Was genau sein überraschender Triumph jedoch für die USA und die Welt bedeutet, ist so kurz nach dem Wahlsieg Trumps kaum vorherzusagen. Zum einen, weil Trump über keinerlei politische Erfahrung verfügt, die man als Vergleichsmaßstab heranziehen könnte. Zudem hat er bislang kein kohärentes innen- oder außenpolitisches Konzept vorgelegt und verfügt mit wenigen Ausnahmen auch über keinen politischen erfahrenen Beraterstab.

Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass Trump den Status quo in den USA, aber auch die bisherige Weltordnung und die Rolle der USA darin infrage stellt. Was dies genau bedeutet, bleibt jedoch offen. Wie kann es einem Präsidenten Trump gelingen, der wie kein anderer verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgehetzt hat, dieses tief gespaltene Land zu einen? Wird er versuchen, seine isolationistischen und protektionistischen Wahlkampfparolen in die Tat umzusetzen? Wie steht Trump wirklich zur Führungsrolle der USA im transatlantischen Verteidigungsbündnis NATO, das er im Wahlkampf zeitweise als obsolet bezeichnet hat? Wie wird ein Präsident Trump mit den Handelsabkommen umgehen, die die Vereinigten Staaten mit zahlreichen Staaten geschlossen haben und über die er gesagt hatte, er wolle sie neu verhandeln? Wie wird ein Präsident Trump mit den Muslimen in aller Welt umgehen, für die er als Kandidat ein Einreiseverbot gefordert hatte, und wie mit den Lateinamerikanern, die er im Wahlkampf wiederholt beleidigt hatte? Wird Trump, wie angekündigt, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen? Und wie schließlich wird ein Präsident Trump, der im Wahlkampf noch gefragt hatte, warum man die Atomwaffen der USA denn nicht einsetze, mit dem Atomwaffenarsenal seines Landes umgehen? Und welche Rolle spielt ein republikanisch kontrollierter Kongress bei all dem?                      

Auf all diese Fragen gibt es in diesen Stunden noch keine Antworten, schon gar keine beruhigenden. Mit dem Wahlsieg Trumps betreten die USA und die Welt Neuland. Klar ist nur eines: Wir sollten uns unter dem neuen Präsidenten auf unruhige Zeiten einstellen.

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