Wird etwas Richtiges allein dadurch falsch, dass der Falsche es sagt? Nein, natürlich nicht. Wenngleich man seit Donnerstag wieder einmal genau diesen Eindruck gewinnen könnte.
Ganz Westeuropa, wo Donald Trump schon seit Anbeginn seiner Präsidentschaft nur wenig Freunde hat, erregt sich wieder einmal über den angeblich so aggressiven Unruhestifter im Weißen Haus. Denn Trump feierte auf Twitter - wo sonst? - einen, wie er sagt, "hübschen Sieg" über die ach so gemeine EU.
Kein Sieg Trumps
Dabei geht der "Sieg" gar nicht auf Trump zurück. Es handelt sich vielmehr um die Entscheidung der Welthandelsorganisation (WTO) zugunsten der USA in einem Fall, den die US-Regierung schon vor 15 Jahren angestrengt hat. Der Präsident damals hieß George W. Bush, und der erboste sich - wie alle seine Amtsvorgänger und -nachfolger - über die staatlichen Subventionen für den Flugzeughersteller Airbus.
Dass es den Airbus-Konzern ohne staatliche Förderung gar nicht gäbe - wer wollte das leugnen? Aber das gilt für Boeing in den USA in gleicher Weise und deswegen haben ja auch die Europäer im Gegenzug bei der WTO geklagt. Auch sie haben bereits gewonnen, nur die Verkündung des "Strafmaßes" steht noch aus.
Und dann werden wir sehen, ob die Europäer dem Freihandel gegenüber so viel aufgeschlossener sind, wie sie immer tun. Denn natürlich wird die WTO auch der EU das Recht einräumen, sogenannte "Vergeltungszölle" gegenüber den USA zu erheben. Und jede Wette: Die EU wird die ihr gebotenen Spielräume komplett ausreizen.
Die USA könnten härter vorgehen
Etwas, das die US-Regierung gar nicht vor hat: Die WTO erlaubt zum Ausgleich für die europäischen Airbus-Subventionen den USA nämlich, auf Waren aus der EU im Wert von knapp sieben Milliarden Euro Zölle von bis zu 100 Prozent zu erheben. Trump hingegen hat angekündigt, auf Flugzeugteile (dem Auslöser des Streits!) nur zehn Prozent und auf eine bunte Auswahl von Gütern - von Käse, über Wein, Oliven, Schraubendrehern und Lötzangen - lediglich 25 Prozent Zoll zu erheben.
Ein Wirtschaftskrieg sieht jedenfalls anders aus. Was allein die Dimension des Streits verdeutlicht: Jeden Monat (!) werden aus der EU Waren im Wert von mehr als 40 Milliarden Euro in die USA exportiert. Bei aller Dramatik für den betroffenen spanischen Winzer oder Olivenbauern: Der Warenkorb von sieben Milliarden Euro pro Jahr (!) fällt da nicht wirklich ins Gewicht.
Protektionistische EU
Die wirklichen Zoll-Schlachten werden auf ganz anderen Feldern geschlagen: Auf Autos aus den USA erheben die Europäer zehn, die Amerikaner im Gegenzug nur 2,5 Prozent Zoll. Chemische Produkte verzollt die EU mit fast fünf, die USA nur mit knapp drei Prozent. Bei Lebensmitteln kassiert die EU 18, die USA hingegen nur acht Prozent Aufschlag. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
Warum so ängstlich, Europa? Sind unsere Industrie und Landwirtschaft so schwach und unsere Produkte so schlecht, dass wir sie durch klassische "Schutzzölle" vor der stärkeren US-Konkurrenz schützen müssen? Wer in Europa zieht ernsthaft einen amerikanischen Käse einem französischen vor? Und würden die Massen in Deutschland tatsächlich Chrysler oder Cadillac anstelle von VW oder BMW fahren, wenn die US-Modelle nur zehn Prozent billiger wären? Eben.
Wem Zölle wirklich schaden
Donald Trump hat also im entscheidenden Punkt recht: Die EU behandelt ihren Handelspartner USA deutlich schlechter, als sie von den Amerikanern selbst behandelt wird. Das ist mit Blick auf das transatlantische Verhältnis nicht nur nicht klug, sondern vor allem eine Bevormundung der Verbraucher. Denn sie - und nicht die Exporteure - sind die ersten Opfer von solchen Zöllen. Weil die politisch gewollte Preistreiberei ihre Auswahl einschränkt.
Zumindest Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier scheint das inzwischen begriffen zu haben und denkt laut über den völligen Verzicht auf Zölle für Autos aus den USA nach. Und Donald Trump muss hoffen, dass die Leidenschaft seiner Wähler für den in den USA absehbar teureren Pecorino-Käse aus Italien nicht allzu groß ist. Sonst könnte ihm der aktuelle Zollstreit mit Blick auf seine Wiederwahl noch auf die Füße fallen. Was ihm wiederum die meisten Europäer von Herzen gönnen würden.