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Kommentar: Europa als Feind

Bernd Johann17. Januar 2014

Das Parlament in Kiew hat die Gesetze für Demonstrationen verschärft. Das trifft nicht nur die Opposition, Journalisten und europäisch gesinnte Organisationen - sondern auch die Europäische Union, meint Bernd Johann.

Bernd Johann, Leiter der Ukrainischen Redaktion der Deutschen Welle (Foto: DW)
Bernd Johann, Leiter der Ukrainischen DW-RedaktionBild: DW/P. Henriksen

Noch trauen sich engagierte und mutige Menschen in der Ukraine, für die Demokratie, den Rechtsstaat und eine europäische Perspektive ihres Landes einzutreten. Doch das könnte sich sehr bald ändern. Überfallartig und unter Missachtung aller geltenden demokratischen Regeln hat die Regierungsmehrheit im Parlament ein umfangreiches Gesetzespaket durchgepeitscht, das die Ukraine in ein autoritäres Land nach russischem oder weißrussischem Vorbild verwandeln und den Menschen die Hoffnung auf politische Veränderungen nehmen wird.

Angriff auf die Bürgerrechte

Das Parlament der Ukraine will die Rechte von Bürgern, gesellschaftlichen Organisationen und der Medien eklatant beschneiden. Drastische Strafen erwarten diejenigen, die das Demonstrationsrecht verletzen. Es ist klar, wer damit gemeint ist: Es sind die Menschen, die trotz gerichtlicher Verbote und brutaler Polizeiwillkür seit zwei Monaten auf dem zentralen Platz, dem Maidan, in Kiew für demokratische Veränderungen und bessere Lebensbedingungen in ihrem Land demonstrieren. Angebliche Verleumdungen in den Medien, im Internet und in den sozialen Netzwerken sollen ebenfalls unter Strafe gestellt werden. Und auch hier ist klar, wer gemeint ist: Regierungskritische Journalisten und Netzaktivisten. Sie sollen wissen, dass sie mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie künftig Politiker oder Staatsbeamte kritisieren.

Doch nicht nur Oppositionelle und Journalisten sind bedroht. Die Gesetze zielen auf die gesamte Zivilgesellschaft in der Ukraine. Und sie richten sich auch gegen die Europäische Union. Denn sie betreffen jene Menschen, deren Herz für Europa und damit auch für die EU schlägt. Ganz ähnlich wie entsprechende Gesetze in Russland könnten auch in der Ukraine bald Nichtregierungsorganisationen zu "ausländischen Agenten" erklärt werden, wenn sie aus dem Ausland Geld für gesellschaftliche Projekte annehmen. Das würde insbesondere jene Organisationen treffen, die im Rahmen der Ostpartnerschaft mit der EU und ihren Mitgliedsländern - also auch Deutschland - zusammenarbeiten.

Putinisierung der Ukraine

Regierungschef Mykola Asarow behauptet inzwischen in aller Offenheit, dass das Ausland in der Ukraine den Aufruhr schüre. Damit erklärt er auch die EU zum Feind. Denn Europa unterstützt im Rahmen der mit Kiew vereinbarten Östlichen Partnerschaft viele wichtige gesellschaftliche Projekte vor Ort. Noch im vergangenen Jahr wollte die ukrainische Führung die Zusammenarbeit mit der EU. Dann stoppte sie den Prozess unter Hinweis auf den Druck aus Moskau. Und jetzt will sie offenbar mit Vollgas den Rückwärtsgang einlegen: Weg von Europa. Und jede gesellschaftliche Organisation, die mit Europa oder anderen westlichen Ländern Kontakte unterhält, wird deshalb nun für sie zum Problem.

Die ukrainische Führung ordnet sich damit Moskau in allen Politikfeldern bedingungslos unter: Mit der Absage an eine weitere EU-Annäherung unter Hinweis auf die russische Einflussnahme hat die Ukraine ihre außenpolitische Souveränität aufgegeben. Putins massive finanzielle Unterstützung hat sie wirtschaftlich unter Moskaus Kontrolle gebracht. Und nun folgt sie auch in der Innenpolitik den Vorgaben des Kreml. Die Ukraine lässt sich putinisieren. Offenbar hat Kiew nicht nur Geld von Putin bekommen, sondern auch den Auftrag, jede Opposition und jedes zivilgesellschaftliche Engagement, das mit Europa verbunden ist, zu unterbinden.

Tür nach Westen verriegelt

Dazu passt auch, dass der ukrainische Geheimdienst derzeit Listen von Ausländern erstellt, die angeblich als nationale Bedrohung gelten. Das hat die Behörde sogar gegenüber der Deutschen Welle bestätigt. Auch einige Deutsche sollen darunter sein. Namen haben die Verantwortlichen nicht genannt. Sogar Abgeordnete des Europäischen Parlaments, die in den vergangenen Wochen immer wieder den Kontakt mit der pro-europäischen Bewegung in der Ukraine gesucht hatten, vermuten mittlerweile, dass über sie Dossiers angelegt würden.

Noch warnt die Europäische Union die Ukraine nur und betont, die Tür nach Europa müsse offen bleiben. Das ist auch richtig, denn es geht um die Menschen in diesem Land. Und die sehnen sich Umfragen zufolge mehrheitlich nach Demokratie, einem Rechtstaat und einem europäischen Lebensstandard. Doch die ukrainische Führung ist längst dabei, die Tür nach Europa fest zu vernageln.

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