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Politik

Ukraine wählt Neustart mit Komiker

Johann Bernd Kommentarbild App
Bernd Johann
21. April 2019

Wolodymyr Selenskyj hatte leichtes Spiel mit Poroschenko bei der Präsidentenwahl. Die Ukrainer wollen den Neustart. Der birgt zwar Risiken. Und doch ist die Wahl ein starkes demokratisches Signal, meint Bernd Johann.

Bild: Reuters/V. Ogirenko

Auf der Showbühne hat der Komiker leichtes Spiel. Als Charmeur und Provokateur umgarnt er die Menschen. Sein wichtigstes Versprechen an das Publikum ist gute Unterhaltung. Der Erfolg ist ihm sicher, das Versprechen schnell eingelöst. Wenn seine Zuschauer lachen und jubeln, hat der Komiker gewonnen. In einer TV-Serie spielt Wolodymyr Selenskyj bereits den Präsidenten der Ukraine, nun wird er tatsächlich Präsident.

Haushoch hat der Schauspieler und Comedian den Amtsinhaber Petro Poroschenko in der Stichwahl geschlagen. Er ließ ihm keine Chance in einem extrem polarisierten und sehr persönlich geführten Wahlkampf. Konsequent verweigerte sich Selenskyj dabei einer echten öffentlichen Debatte. Seine politischen Vorstellungen umriss er nur vage. Auf der Showbühne und in den sozialen Medien zog Selenskyj dafür aber alle Register. Vor allem dort nutzte er den Wahlkampf für eine Generalabrechnung mit dem System Poroschenko. 

DW-Redakteur Bernd Johann

Große Unzufriedenheit mit Poroschenko

Sein Wahlerfolg zeigt, ein Wechsel ist möglich, wenn große Teile der Bevölkerung mit der bisherigen Politik unzufrieden sind. Nach fünf Jahren Poroschenko gehört die Ukraine noch immer zu den ärmsten Ländern in Europa. Investitionen sind weiter Mangelware. Die Justiz ist nicht unabhängig. Korruption und Vetternwirtschaft sind nicht beseitigt. Zuletzt geriet auch Poroschenko selbst immer mehr ins Zwielicht, weil mehrere Korruptionsskandale sein engstes Umfeld erschütterten.

Und dann ist da noch der Krieg im Osten der Ukraine mit den von Russland gesteuerten Separatisten. Ansätze für eine politische Lösung sind nicht in Sicht, nicht einmal Fortschritte im humanitären Bereich. Weder für die Menschen an der Front, noch beim Thema der  politischen Gefangenen. Als Oberbefehlshaber hat Poroschenko zwar für Reformen in der Armee gesorgt, doch politisch mutierte er zum Hardliner und Nationalisten, der keine politischen Türen in der Krim- und Donbass-Frage mehr öffnen konnte.

Nach der Wahlniederlage: Poroschenko muss abtretenBild: DW/L. Rzheutska

Die Ukrainer wollen neue Gesichter

All diese Probleme liegen nun vor Selenskyj, der im Wahlkampf keinen Hehl daraus machte, dass er keine politischen Erfahrungen hat. Mit seinem Witz und Charme oder lustigen YouTube-Videos wird der Showstar diese Probleme nicht lösen können. Gut möglich, dass ihm und seinen Anhängern auch schon bald das Lachen vergehen könnte. Denn der versprochene Neustart wird schwierig und birgt das Risiko des Scheiterns.

Die Ukrainer wollen neue Gesichter in der Politik. Bislang hat Selenskyj nur ein kleines Team. Und erst nach der Parlamentswahl, die für Oktober geplant ist, wird klar sein, wer die Ukraine künftig regiert. Bis dahin auch wird sich zeigen, mit welchen politischen Kräften in der Ukraine Selenskyj eine Zusammenarbeit eingehen wird. Für den einem oder anderen Teil seiner Wähler könnte da die Enttäuschung kommen.

Viele Fragen an den neuen Präsidenten

Wolodymyr Selenskyj wird also aufpassen müssen, dass solche Bündnisse nicht den Schwung aus der Aufbruchsstimmung nehmen, die seine Wahl entfacht hat. Auf ihm lastet bereits der Vorwurf, er unterhalte enge geschäftliche und private Beziehungen mit dem aus der Ukraine geflohenen und umstrittenen Oligarchen Ihor Kolomojskyj. Und es stellt sich auch die Frage, wie es der Unternehmer Selenskyj mit seinem eigenen Showgeschäft und seinen Beteiligungen an Medienunternehmen halten wird, wenn er Präsident ist. Die Ukrainer warten noch auf viele Antworten von ihrem künftigen Präsidenten. Nun muss er endlich sagen und durch Taten beweisen, was und wie er als Präsident tatsächlich alles besser machen wird.

Auch in Europa, in den USA und Kanada, die die Ukraine auf ihrem Weg der Reformen unterstützen, will man wissen, wie es weitergeht. Dazu gehört auch der Wunsch nach einer geordneten Amtsübergabe und die Erwartung, dass Sieger und Verlierer gleichermaßen respektvoll mit dem Ergebnis dieser Wahl umgehen. Auf demokratische Weise haben die Ukrainer nach den Maidan-Protesten nun zum zweiten Mal einen politischen Neustart eingeleitet. Dazu sollte man ihnen gratulieren.

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