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Politik

"Unfall der Demokratie" in Rumänien

Schwartz Robert Kommentarbild App
Robert Schwartz
18. November 2018

Den anti-europäischen Kurs der Regierung in Bukarest als "Unfall der Demokratie" abzutun, ist richtig. Aber dabei kann es nicht bleiben, die Unfallstelle hätte längst geräumt werden müssen, meint Robert Schwartz.

Rumäniens Präsident Klaus IohannisBild: DW

Der rumänische Präsident Klaus Iohannis hat ohne Wenn und Aber recht: So, wie sich die gegenwärtige sozialliberale Regierung im In- und Ausland aufführt, kann und muss sie als "Unfall der Demokratie" bezeichnet werden. Was Iohannis auch sofort getan hat nach der Veröffentlichung des niederschmetternden EU-Fortschrittsberichts zu Rumänien. Endlich haben - im seltenen Gleichklang - EU-Kommission und Europäisches Parlament der rumänischen Regierung wegen der kontinuierlichen Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz die rote Karte gezeigt. Parteiübergreifend und ohne Rücksicht auf die viel gescholtene und oft unverständliche Solidarität innerhalb der einen oder anderen Parteienfamilie.

Für die rumänischen sogenannten Sozialdemokraten (PSD) und ihren pseudo-liberalen Juniorpartner ALDE eine schallende Ohrfeige. Und für den konservativ-liberalen Iohannis eine gute Gelegenheit zu erkennen, dass er die volle Unterstützung der EU hat, die Folgen dieses Unfalls endlich zu beseitigen. Jetzt hat der verfassungstreue Präsident auch den letzten Beleg dafür, dass es ein kapitaler Fehler war, die unscheinbare und brave Parteisoldatin Viorica Dancila auf Wunsch des vorbestraften PSD-Chefs Liviu Dragnea zur Premierministerin zu ernennen.

Statthalter des vorbestraften Machthabers

Kurz zur Erinnerung: Schon vor dem Wahlsieg der Sozialdemokraten Ende 2016 war klar, dass Dragnea aufgrund seiner Bewährungsstrafe wegen Wahlmanipulation nicht Regierungschef werden konnte. Deshalb musste er dringend getreue Statthalter finden. Sein erster Vorschlag - eine ihm ergebene Parteifreundin - wurde von Präsident Iohannis aus Gründen der nationalen Sicherheit abgelehnt. Es folgten im Halbjahresrhythmus zwei weitere Premierminister, die Iohannis akzeptiert hatte, die aber schnell bei ihrem Dienstherren Dragnea in Ungnade gefallen waren. Beide wollten den Umbau der Justiz, das Ende der Korruptionsbekämpfung und die Knebelung des Rechtsstaats auf Geheiß des PSD-Chefs nicht mehr mittragen.

Robert Schwartz leitet die Rumänische Redaktion

Viorica Dancila war die vierte Wahl Dragneas. Sie sollte sich bald als ideale Regierungschefin für die Vorhaben ihres Meisters erweisen. Brav erfüllte sie alle Wünsche ihres Strippenziehers, um ihn und andere korruptionsverdächtige Kollegen aus der Regierungskoalition endlich aus den Fängen der Justiz zu befreien. Jetzt, kurz vor dem lang ersehnten Ziel, hat die EU die Reißleine gezogen.

Doch das System Dragnea schlägt zurück. Und bedient sich der alten kommunistischen, national-populistischen Rhetorik aus der Ceausescu-Zeit: ein feindlich gesinnter Westen mische sich in die inneren Angelegenheiten des Landes ein und betreibe systematisches Rumänien-Bashing auf Anordnung der Kern-EU sowie obskurer internationaler Kreise - George Soros inklusive. Wer Dragnea und Gefolge kritisiert, greift das Land an. Denn sie, die korrupten oder korruptionsverdächtigen Politiker, sind der Staat!

Auf einem Kurs weg von Europa

Gestützt auf eine noch komfortable Mehrheit im Parlament zerstört die Regierung mit nationalistisch-populistischer und europafeindlicher Rhetorik, mit aggressiven Attacken gegen Justiz und Medienfreiheit das fragile Gerüst der rumänischen Demokratie. Journalisten, Oppositionspolitiker und vor allem eine mutige Zivilgesellschaft haben wiederholt vor einem Rollback in Rumänien gewarnt. Die EU - viel zu sehr mit sich selbst sowie in Osteuropa mit Polen und Ungarn beschäftigt - hat es erst spät begriffen: Rumänien ist fest in der Hand von Kleptokraten, die das Land Schritt für Schritt von der EU wegführen. Ausgerechnet das Land, das im ersten Halbjahr 2019 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.

Die Schutzklauseln, die seinerzeit in den Beitrittsvertrag mit Rumänien eingebaut wurden, reichen offensichtlich als Drohkulisse nicht mehr aus: Der Umbau des Staates hat längst begonnen. Präsident Iohannis und die EU haben es versäumt, die Unfallstelle rechtzeitig zu räumen. Jetzt bleibt ihnen nichts anderes übrig, als im engen Schulterschluss mit allen pro-europäischen Kräften im Land die Folgen dieser Massen-Karambolage zu beseitigen. Den klaren Worten müssen sofort Taten folgen. Noch sieht es nicht danach aus. Die Gefahr ist groß, dass aus dem Unfall eine Katastrophe mit verheerenden Langzeitfolgen wird.

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