Nein, um Geld und Kommerz ging es den Fans von Union Berlin nicht bei ihrem Schweige-Protest ausgerechnet bei der lang ersehnten Premiere in der Fußball-Bundesliga. Genau jenen Fans, die jahrzehntelang auf diesen Moment hingefiebert hatten und sich schon Stunden vor Anpfiff in Richtung Stadion begaben. Dass dieser Moment nicht ohne eine gehörige Stange Geld erreicht werden konnte, weiß selbst der naivste Union-Fan.
Dass es in der Bundesliga natürlich auch um finanzielle Interessen geht, weiß auch die sonst um Bodenständigkeit bemühte Klubführung. Der Preis für die Bundesliga ist hoch, da muss man auch den neuen Hauptsponsor akzeptieren: ein in Luxemburg ansässiges Unternehmen aus der Immobilien-Branche, das auch in Berlin vertreten und hoch umstritten ist, dessen Millionen der Verein aber sehr gut gebrauchen kann.
RB ist ideologischer Gegenentwurf zum Union-Selbstverständnis
Präsident Dirk Zingler hat schon konstatiert, man sei nicht wirklich so viel anders als andere Profivereine. Aber auch er unterstützte den Protest der Fans. Weil Union wie sonst nur wenige Bundesligavereine eben noch ein eingetragener Verein ist, in dem die Mitglieder mitbestimmen können und sollen. So verstehen sich die Unioner mit ihren gut 30.000 Mitgliedern.
RB Leipzig steht für das krasse Gegenteil: Gerade einmal 17 eingetragene Mitglieder hat der seit erst zehn Jahren existierende Klub - und statt Mitbestimmung einen starken und finanzkräftigen Mann, der das Sagen hat: Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz.
"Ein Protest muss wehtun"
Nun könnte man argumentieren, dass ein stiller Protest nichts bringe und dass das Thema RB Leipzig schon abgehandelt sei. Nun - bei Union Berlin hat dies, wie so vieles, Tradition. Auch in der 2. Liga trafen beide Teams mehrfach aufeinander und auch im September 2014 gab es schon einen Protest der damals in schwarz gekleideten Fans. "Es gilt, den Protest weiter konsequent ins Stadion zu tragen und zu zeigen, dass wir mit der Idee vom Fußball in Leipzig nicht einverstanden sind", heißt es von Seiten der Ultras und vielen Fanklubs.
Schweigen als Protest - was soll das bringen? Die vorher eingeweihten Spieler von Union waren gespalten in ihrer Meinung. Die ersten Bundesliga-Minuten der Vereinsgeschichte ohne Fan-Unterstützung? Schwer vorstellbar. Ein wirkungsvoller Protest müsse wehtun, sagte hingegen Unions Neuzugang Neven Subotic und brachte es damit auf den Punkt.
Wenn die sonst so laute Tribüne schweigt - in einem für den Verein und die Bundesliga so historischen Moment - dann zeigt das massive Wirkung. In einem solch historischen Moment ist Schweigen das stärkste Signal. Medien berichten, Fans diskutieren ligaweit und Union beweist, dass es für seine Werte und Überzeugung einsteht. Egal, in welcher Liga. Erst Recht in der Bundesliga mit all ihrer medialen Aufmerksamkeit und ganz besonders in diesen bedeutenden Minuten.
Natürlich muss auch Union Berlin erstmal begreifen: Der Klub ist nicht mehr der kleine Traditions- und Arbeiter-Verein aus Ostberlin, bei dem man "unter sich" ist. Aber egal, welche Spuren die Bundesliga hinterlassen wird: Im Gegensatz zum am ersten Spieltag sportlich hoch überlegenen Gegner Leipzig werden Unions Mitglieder alles dafür tun, um auch in Zukunft weiter mitbestimmen zu dürfen.