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Politik

Kein Sieg für die Gerechtigkeit

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
3. September 2020

Der Freispruch des Oligarchen Marian Kocner im Mordfall Jan Kuciak schockiert die Slowakei. Jetzt werden die Reformer einen langen Atem brauchen, meint Barbara Wesel.

Bild: DW/M. M. Pedziwol

Alle Indizien schienen zu zeigen, dass er hinter dem Mord an dem Journalisten Jan Kuciak stand. Doch ein Sondergericht in Pezinok sprach den Oligarchen Marian Kocner jetzt frei - aus Mangel an Beweisen. Sie respektiere das Urteil, brauche aber Zeit, es zu verstehen, und sei darüber schockiert, schrieb die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova auf Twitter, nach dem Freispruch.

Und wie ihr ging es vielen im Land, die ihre Hoffnung in einen schnellen Sieg für die Gerechtigkeit gesetzt hatten. Wie aber soll man weiter machen nach diesem unerwarteten Rückschlag, um das Land von dem Morast an Korruption und Vetternwirtschaft zu befreien, der es zu einem Mafiastaat zu machen drohte?

Kein großer Sprung nach vorn

Die jüngere Geschichte der Slowakei ist gesäumt von unaufgeklärten Fällen und ungesühnten Verbrechen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz war tief erschüttert. Dann führte der Mord an Jan Kuciak und dessen Verlobten Martina Kusnirova dazu, dass die Menschen sich gegen dieses System aufbäumten und die letzten Wahlen brachten einen politischen Umsturz. Seitdem gibt es eine liberale Präsidentin im Land und eine Regierung, in der die populistische Plattform der "Normalen Leute" ein Ende der Korruption verspricht.

DW-Korrespondentin Barbara Wesel

Die Arbeit der Reformer aber wird schwerer werden, als die Unterstützer in der ersten Freude über den Systemwechsel geglaubt hatten. Dieser Kampf ist kein Sprint, sondern ein Marathon, weil er alle Institutionen der Slowakei umfasst. Marian Kocner ist nicht der einzige Oligarch mit schmutzigen Händen. Eine Handvoll weiterer Räuberbarone erfreuen sich noch der Reichtümer, die sie in den gesetzlosen Jahren nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft zusammengerafft haben. Und ihre Netzwerke sind weiter aktiv.

Die Slowakei teilt hier die Schicksale anderer Länder des früheren Ostblocks. Der Übergang in einen ungezügelten Kapitalismus führte fast überall direkt in den Sumpf von Vetternwirtschaft, Rechtlosigkeit und Oligarchenherrschaft. Ihn auszutrocknen, ist ein mühsamer Kampf, der Beharrlichkeit und Unerschrockenheit auf längere Sicht erfordert.

Die Protestbewegung von 2018 hat dabei schon Erfolge vorzuweisen: den Sturz einer Regierung, den Abgang von mehr als einem Dutzend Richtern, von einem Generalstaatsanwalt, einem Polizeichef und anderen belasteten Staatsdienern. Was ihr jetzt verwehrt bleibt, ist ein großer Sprung nach vorn. Je weiter der Fall Kuciak in die Vergangenheit rückt, desto stärker könnte sich ein Gefühl der Vergeblichkeit verbreiten.

Kein Symbol für den Neuanfang

Reformwillige Slowaken hatten viel auf diesen Richterspruch gesetzt. Sie erhofften sich ein Symbol des Neuanfangs, einen Einschnitt und den Beweis dafür, dass sie in kurzer Zeit ein gereinigtes Land würden vorzeigen können. Aber die Richter im Fall Kuciak zwangen ihnen die Einsicht auf, dass Justizia tatsächlich blind sein kann und nicht jedes Verbrechen gesühnt wird. Wenn auch die nächste Instanz eine weitere Chance bedeutet.

Für die Familien der Opfer und die früheren Kollegen des Journalisten, der sich ganz der Aufklärung von Betrug und mafiösen Verstrickungen gewidmet hatte, mag der Freispruch des Oligarchen Kocner wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Für die Reformer aber heißt er, wenn sie ihren Zorn und ihre Frustration überwunden haben, dass sie die tieferen Strukturen angehen müssen, die die Slowakei so lange an eine endemische Kriminalität gefesselt haben.

Eine Justizreform etwa kann sich nicht auf das Austauschen inkriminierter Richter und Staatsanwälte beschränken. Sie braucht auch neues Denken in den Reihen der Juristen, sodass Richter sich frei fühlen, Recht zu sprechen im Sinne einer echten Suche nach Gerechtigkeit.

Die Mühen der Ebene

Für die Slowaken, die weiter ihrem Schlachtruf für ein "anständiges Land" folgen wollen, kommen jetzt die Mühen der Ebene. Es geht dabei um alle Teile des öffentlichen Lebens, um saubere Ausschreibungen, eine Verwaltung ohne Vetternwirtschaft, die ordentliche Kontrolle öffentlicher Mittel und drakonische Strafen für Korruption in der Politik.

All das sind Aufgaben, an denen auch gefestigte Demokratien hin und wieder scheitern. Dafür sind Institutionen da, unter anderem eine freie Presse, die solche Verstöße verfolgen und abstellen. Die Hoffnung ist, dass die Reformer in der Slowakei nicht den Kampfgeist verlieren, sich nicht entmutigen lassen und zeigen, dass eine bessere, eine anständige Zukunft möglich ist.

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