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Politik

Venezuela - ein Land implodiert

Thofern Uta 62 Latin Berlin 201503 18
Uta Thofern
5. August 2018

Die Berichte über einen vermeintlichen Anschlag auf Staatschef Nicolás Maduro werfen viele Fragen auf. Nur eine ist bereits beantwortet, meint Uta Thofern: Einzig und allein Maduro profitiert davon.

Leibwächter schützen Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro (links) bei einem vermeintlichen AnschlagBild: picture-alliance/AP Photo/Xinhua

Diesmal waren es also die "Flanellsoldaten". Nicolás Maduro hat schon mindestens zwanzig Staatsstreiche und/oder Anschläge auf sein Leben angeprangert. Geschadet hat ihm keiner. Im Gegenteil, das Regime zieht aus jedem tatsächlichen oder vermeintlichen Angriff, ob aus dem "imperialistischen" Ausland oder von der "rechtsextremen" Opposition im Lande, neue Kraft.

Der jüngste Vorfall zeigt, dass sich Venezuela nicht nur in einer gravierenden politischen und wirtschaftlichen Krise befindet, sondern auch im Zeitalter von "Fake News" angekommen ist. Denn ob Staatschef Maduro wirklich von einer Drohne angegriffen wurde, ist nicht sicher. Gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärten Feuerwehrleute aus Caracas, die Ursache sei die Explosion eines Gastanks in einer Wohnung gewesen.

Maduro nutzt jeden neuen Vorfall für eine weitere Hexenjagd auf die Opposition, für Pöbeleien gegen benachbarte Staaten wie Kolumbien, und nicht zuletzt für Säuberungsaktionen in den eigenen Reihen und in der Armee. Und jeder neue Vorfall lenkt von den zunehmend unerträglichen Problemen in Venezuela ab.

Benzin ist billiger als Wasser

Uta Thofern leitet die Lateinamerika-Abteilung der DW

Die vermeintliche Attacke ereignete sich während der Parade zum 81. Geburtstag der venezolanischen Nationalgarde - drei Tage, nachdem Maduro eine neue Benzinpolitik angekündigt hatte. Die Ankündigung erfolgte bizarrerweise während eines Stromausfalls, der die Hauptstadt Caracas stundenlang verdunkelte.

Und nur einen Tag, nachdem die Regierung eine Zählung der Autos im Land veranlasst hatte, verbunden mit der Ankündigung, dass nur deren Teilnehmer weiterhin in den Genuss der subventionierten Benzinpreise bekommen würden. Eine Tankfüllung kostet in Venezuela weniger als einen Euro-Cent, aber das Benzin dafür muss das Land mit den größten Erdölvorkommen der Welt überwiegend importieren, weil die eigene Industrie schon lange ruiniert ist.

Ebenfalls erst vor wenigen Tagen erklärte der Internationale Weltwährungsfonds (IWF), dass die Inflation in Venezuela in diesem Jahr voraussichtlich 1.000.000 – eine Million! – Prozent erreichen werde. Die Regierung will noch in diesem Monat mit einer Währungsreform fünf Nullen vom Nennwert des Bolívars streichen, nachdem sie im März noch geplant hatte, die letzten drei Stellen wegzulassen. Die Inflation galoppiert selbst den Entscheidungsprozessen einer Diktatur davon. 

Hungernde Kinder

Neben Benzin ist noch vieles andere in Venezuela subventioniert – Energie, Nahverkehr, Lebensmittel, Medikamente. Aber es mangelt an allem, weil das Land die nicht die Devisen erwirtschaftet, die es für die Importe braucht. Zudem hat die "bolivarische Revolution" die eigenen Produktionskapazitäten in Venezuela erfolgreich lahmgelegt. Zahllos sind die Berichte über unversorgte Kranke in maroden Krankenhäusern, hungernde Kinder, schmuggelnde Mütter und verzweifelte Auswanderer.

Die Versuche des Regimes gegenzusteuern, wirken nicht nur zunehmend hilflos, sie sind es auch. Venezuela ist so gründlich ruiniert, dass es Jahrzehnte brauchen wird, bis das ehemals reichste Land Südamerikas sich wenigstens dem Lebensstandard seiner Nachbarn wieder annähert. Da nützt auch die ebenfalls gerade erst verkündete teilweise Lockerung des Wechselkurses nichts mehr. In absehbarer Zeit werden auch die treuesten Anhänger von Ex-Präsident Hugo Chávez, dem verstorbenen Gründer der bolivarischen Revolution, nicht mehr ausreichend versorgt werden können.

Kaum etwas kann einer Regierung so gefährlich werden wie die Streichung von Subventionen. Dafür gibt Beispiele aus vielen anderen Ländern Lateinamerikas, und nicht zuletzt auch aus Venezuela selbst. Nicolás Maduro weiß das, und doch wird er es kaum vermeiden können. Sein Regime steuert Venezuela zielsicher auf den Abgrund zu.

Ganz abgesehen davon, dass dies natürlich keinerlei Rechtfertigung für Attentate sein kann – es gäbe auch keinen Grund dafür. Hinter Maduro stehen jede Menge kampfbereiter Nachfolger und Nachfolgerinnen, die von einem Regimewechsel nichts zu erhoffen, aber alles zu befürchten haben. Die Zeichen stehen auf Implosion: Der "Sozialismus des 21. Jahrunderts" wird irgendwann in sich selbst zusammenfallen.

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Uta Thofern Leiterin Lateinamerika-Redaktionen, Schwerpunkt Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte