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Politik

Maduro fehlt jetzt jede Legitimität

Thofern Uta 62 Latin Berlin 201503 18
Uta Thofern
9. Januar 2019

Bisher hat Nicolás Maduro wenigstens als gewählter Präsident regiert. Mit dem offiziellen Beginn seiner zweiten Amtszeit fällt nun das allerletzte demokratische Feigenblatt seines Regimes, kommentiert Uta Thofern.

Nicolás Maduro hält die Verfassung zwar demonstrativ in der Hand, aber beugt sie ständigBild: Reuters/Miraflores Palace

Die letzte freie Wahl hat Venezuela im Dezember 2015 erlebt. Der Erdrutschsieg der Opposition galt damals als Signal der Hoffnung für das heruntergewirtschaftete Öl-Land. Doch das Gegenteil trat ein: Maduro und seine Chavisten begannen mit einer beispiellosen Aushöhlung sämtlicher demokratischen Institutionen, die nun in die komplette Abschaffung von Rechtsstaat und Gewaltenteilung mündet.

Zunächst brachten sie das Oberste Gericht unter ihre Kontrolle. Dann bestritten sie die Rechtmäßigkeit der Oppositionsmehrheit im Parlament, um danach Schritt für Schritt erst die Rechte der Volksvertretung immer mehr einzuschränken und sie letztlich für überflüssig zu erklären und durch eine aus handverlesenen Anhängern bestehende "konstituierende Versammlung" zu ersetzen. Das frei gewählte Parlament, verhöhnt und gedemütigt, darf sich zwar immer noch treffen, aber faktisch haben die einzig legitimen Volksvertreter in Venezuela nichts mehr zu sagen.

Staatsstreich auf Raten

Mit seiner perfiden Salami-Taktik erreichte Maduro vor allem eines: dass die internationalen Proteste zunächst schwach ausfielen. Es gab keinen gewalttätigen Putsch in Venezuela, der die internationale Gemeinschaft vielleicht zu einer einmütigen Reaktion hätte bewegen können. Es war vielmehr ein Staatsstreich auf Raten, dem die Welt zunehmend ohnmächtig zusah. Gut eineinhalb Jahre brauchte Maduro um das Parlament zu entmachten; die Massenproteste 2017 nutzte er geschickt als Argument für weitere Repressionen.

Uta Thofern leitet die Lateinamerika-Programme der DW

Dutzende vor allem junge Menschen verloren ihr Leben, zigtausende ihre Illusionen. Und Millionen ihre Heimat. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in den vergangenen drei Jahren geflohen, zuerst vor der Unterdrückung, später zunehmend vor dem Elend, das die pseudo-sozialistische Regierung verursacht hat. Das ölreichste Land der Welt ist schon lange nicht mehr in der Lage, eine ausreichende Lebensmittel- und Medikamentenversorgung zu gewährleisten. Aber genau diese prekäre Situation gibt dem Regime ein weiteres Druckmittel in die Hand: Wer sich als Chavist registrieren lässt, bekommt regelmäßige Lebensmittellieferungen. Für eine Minimalversorgung der (Zwangs-)Mitläufer reichen die Öleinnahmen und die Kredite aus Russland und China immer noch aus.

Und so brauchte Maduro nach der Installierung der allmächtigen "konstituierenden Versammlung" nur noch weniger als ein Jahr um die Opposition erst zu zersplittern, sie dann größtenteils von den nächsten Wahlen auszuschließen und schließlich für den Mai 2018 eine vorgezogene Präsidentenwahl anzusetzen, die er natürlich gewann.

Maduro - eher gesalbt als gewählt

Mit dem Ergebnis dieser zweifelhaften Wahl im Rücken tritt er nun seine zweite Amtszeit an, der Mann, der schon in seiner ersten Amtsperiode eher gesalbt als gewählt war - denn wenn ihn sein charismatischer Vorgänger Hugo Chávez nicht ausdrücklich zum Nachfolger benannt hätte, wäre schon damals die Opposition als Sieger aus der Wahl hervorgegangen. Aus einem äußerst knappen, aber demokratischen Erfolg hat Maduro zielstrebig eine Unrechtsherrschaft gemacht.

Die internationalen Proteste gegen sein Regime sind lauter geworden, die Flüchtlingskrise ist nicht mehr zu übersehen, die wirtschaftliche Lage des Landes desolat. Aber mit China und Russland hat Maduro auch mächtige Verbündete, die Venezuela als Brückenkopf in Lateinamerika sehen. Die Chavisten klammern sich nicht nur ihrer Privilegien wegen an die Macht; sie müssten im Falle eines Regierungswechsels mit harten Strafen rechnen. Und die jüngsten politischen Machtverschiebungen auf dem Kontinent - mit Rechtspopulisten wie Trump in den USA, Bolsonaro in Brasilien einerseits, Linkspopulisten wie López Obrador in Mexiko andererseits - machen eine einheitliche Politik gegenüber Venezuela immer unwahrscheinlicher.

Die Aussichten für Maduro und seine Clique stehen gar nicht so schlecht. Die für sein Land umso schlechter.

Uta Thofern Leiterin Lateinamerika-Redaktionen, Schwerpunkt Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte
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