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Politik

Verantwortungsloser Asyl-Streit

12. Juni 2018

Wieder einmal fliegen zwischen Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer die Fetzen. Und wieder geht es um die Flüchtlingspolitik. Damit unterstützen beide das Geschäftsmodell von Populisten, meint Marcel Fürstenau.

Kanzlerin Merkel und Horst Seehofer
Angela Merkel und Horst Seehofer haben sich gerade wenig zu sagen, obwohl es viel Gesprächsbedarf gibt (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

"Masterplan Migration" - zwei starke Begriffe! Der eine - Migration - ist emotional aufgeladen, hat viel mit Hoffnungen und Ängsten zu tun. Der andere - Masterplan - klingt nach durchdachtem Konzept, nach entschlossenem Zupacken und Lösen eines Problems. Und das war auch die dahinter steckende Absicht des deutschen Innenministers Horst Seehofer. Er will sich beim Reiz-Thema Flüchtlings- und Asylpolitik ein weiteres Mal als Macher stilisieren. Als einer, der Ordnung schafft und zeigt, wo es langgeht. Damit allerdings ist Merkels hartnäckigster Widersacher in der Familie der Unions-Parteien krachend gescheitert. Denn die Bundeskanzlerin (CDU) hat den polternden Bayern (CSU) rüde ausgebremst.

Der mit viel Brimborium angekündigte Masterplan Migration bleibt auf unbestimmte Zeit in der Schublade. Der Grund: Die Regierungschefin hat andere Vorstellungen vom Umgang mit Asyl-Bewerbern an deutschen Grenzen als ihr zuständiger Minister. Sie will bei dieser ungelösten Frage offenbar keinen weiteren Streit mit europäischen Nachbarn riskieren. Zwar nimmt Deutschland mehr Flüchtlinge auf als alle anderen EU-Länder zusammen. Aber schon die vergleichsweise wenigen sind Ländern wie Österreich oder Polen zu viel.

Die Öffnung der Grenze war fehlerhaft und trotzdem großartig

Vor allem Italien ächzt gegenwärtig unter dem Elend der zu tausenden in Schlauchbooten übers Mittelmeer kommenden Menschen aus afrikanischen Ländern. Und die Lager auf den griechischen Ägäis-Inseln sind immer noch völlig überfüllt - die Spannungen zwischen Flüchtlingen und Inselbewohnern nehmen beständig zu. Das ist der besonders tragische und beschämende Teil der Kulisse, vor der sich das Duell Seehofer/Merkel seit Sommer 2015 abspielt. Damals kam innerhalb weniger Monate rund eine Million Flüchtlinge nach Deutschland, weil die deutsche Kanzlerin sie mit einer ebenso großzügigen wie großartigen Geste vorbehaltlos einreisen ließ. Den finanziellen und politischen Preis dafür zahlt sie immer noch. Und mit ihr tun es - auf höchst verschiedene Weise - der ganze Kontinent und seine Bevölkerung.

DW-Korrespondent Marcel FürstenauBild: DW/S. Eichberg

Es hilft nicht weiter, auch noch 2018 die Rechtmäßigkeit der von Merkel vor drei Jahren getroffenen Entscheidung in Frage zu stellen. Sicherlich war es ein Fehler, die Partner in der EU vorab nicht einzubinden. Aber dieser Fehler ist nun einmal passiert. Bereits vor 2015 und auch seither wurde unerträglich viel Zeit verschwendet beim Versuch, eine europäische Lösung zu finden. Im Ergebnis beobachten wir überall das Erstarken populistischer Parteien, die ungeniert fremdenfeindliche Ressentiments schüren. Leider gießen Merkel und Seehofer mit ihrem Dauerstreit Wasser auf die Mühlen dieser Kräfte.

Ein schlechtes Vorbild für Engagierte und Betroffene

Die Energie, die sie in ihren unproduktiven Streit stecken, sollten sie endlich in den weiteren Auf- und Ausbau dringend benötigter Strukturen für die Integration von in Not geratenen Menschen umleiten. Missstände, wie die mutmaßlich manipulierten Asyl-Entscheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), sind ärgerlich und müssen schonungslos aufgeklärt werden. Und trotzdem sind das alles angesichts der unermesslichen Dimension weltweiter Fluchtbewegungen und ihrer Ursachen nur einige kleine von sehr vielen Problemen.

Dagegen hilft national wie international nur ein gemeinsam abgestimmtes Konzept. Man kann das auch "Masterplan Migration" nennen. Dass ein solcher in Deutschland vorerst gescheitert ist, dafür müssen die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien CDU, CSU und SPD die Verantwortung übernehmen. Sie sind - aus welchen Gründen auch immer - seit Jahren unfähig oder unwillens, sich auf ein für alle Beteiligten akzeptables Konzept zu einigen. Damit sind sie ein denkbar schlechtes Vorbild für all jene, die täglich mit der Herausforderung von Flucht und Migration konfrontiert sind. Sei es als Sachbearbeiter im BAMF, als Polizist an der deutschen Grenze, als Ehrenamtlicher in der Flüchtlingshilfe - aber eben auch als Flüchtling oder Asylbewerber.        

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