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Politik

Verhaftung spendet Überlebenden Trost

Kommentarbild Fred Muvunyi  PROVISORISCH
Fred Muvunyi
16. Mai 2020

Felicien Kabuga soll den Völkermord 1994 in Ruanda geplant, finanziert und ausgeführt haben. Nun wurde er in Frankreich verhaftet. Bei Fred Muvunyi von der DW weckt seine Festnahme die Hoffnung auf etwas Gerechtigkeit.

In den Särgen befinden sich Opfer des Genozids von 1994 in Ruanda Bild: Getty Images/AFP/Y. Chiba

Wer hätte sich vorstellen können, dass ein von einem UN-Tribunal, mächtigen Regierungen, Interpol und der Regierung Ruandas gesuchter Mann heute - zwei Jahrzehnte nach Erlass eines Haftbefehls - in Frankreich verhaftet wird? Mich hat die Nachricht von seiner Festnahme völlig überrascht. Felicien Kabuga soll sich einst in Kenia und später in Europa versteckt haben. Es gab auch Gerüchte, Kabuga sei bereits gestorben. Im Jahr 2002 erfuhren dann zwei kenianische Journalisten von seinem Verbleib. Als sie darüber berichteten, wurden sie bedroht und gezwungen, aus ihrem Land zu fliehen. Später galt Kabuga als Phantom: Es rankten sich Mythen und Mysterien um seine Person - besonders in meinem Heimatland Ruanda.

Vom Phantom zum Mann in Handschellen

Nun wissen wir, dass all diese Vermutungen um Kabuga nicht stimmten. Der Mann, auf den die US-Regierung ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar (4,6 Millionen Euro) ausgesetzt hatte, ist festgenommen. Er wurde in Frankreich gefunden, im Land des Interpol-Hauptquartiers. Es wird vermutet, dass Kabuga für seinen sicheren Unterschlupf Beamte und Sicherheitskräfte bestach. Am 18. August 1994, einen Monat nachdem das Morden endlich gestoppt werden konnte, hatte ihn bereits der Schweizer Geheimdienst ziehen  lassen.

DW-Redakteur Fred MuvunyiBild: DW/F. Görner

Die Liste der Vorwürfe gegen Kabuga ist lang. Der Internationale Strafgerichtshof der Vereinten Nationen für Ruanda (ICTR) klagte ihn in sieben Punkten an: Völkermord, Mittäterschaft am Völkermord, direkte und öffentliche Aufstachelung zum Völkermord, Versuch des Völkermordes, Verschwörung zum Völkermord, Verfolgung und Ausrottung der Tutsi. Kabuga soll das berüchtigte Hassradio RTLM gegründet haben. In moderne Popmusik verpackt hetzte RTLM die Hutu-Mehrheit auf und gab den mordenden Milizen Namen und Verstecke flüchtender Tutsi bekannt, die im Radio nur als "Kakerlaken" bezeichnet wurden. In jener Zeit ohne Handys und Internet war das Radio das wichtigste Informationsmedium und ist es zum Teil bis heute.

Genozid hinterließ eine Million Tote

Kabuga rüstete die Interahamwe-Jugendmiliz aus - eine Hutu-Truppe, die zusammen mit der Armee zu den Haupttätern des ruandischen Völkermordes gehörte. In Kigali gefundene Dokumente belegen, dass er über seine Firmen riesige Mengen Macheten aus China importierte. Sein Geld soll zur Ausrottung von über einer Million unschuldiger Tutsi und einiger gemäßigter Hutus in meinem Heimatland beigetragen haben. Denn auch Hutu-Ruander, die einen Befehl zum Töten oder Verraten ihrer Nachbarn verweigerten, wurden nicht verschont.

Jetzt ist Kabugas Zeit im Versteck vorbei. Sechsundzwanzig Jahre der Flucht, wechselnder Identitäten und der Bedrohung derjenigen, die ihm näher kamen, sind jetzt Geschichte. Er soll nach Arusha, dem Sitz des UN-Tribunals für Ruanda in Tansania, überstellt werden. Seine Verhaftung hat eine Signalwirking. Sie gibt den Überlebenden des Völkermords die Zuversicht, dass alle Monster sich eines Tages vor Gericht verantworten müssen. Dass am Ende sie sich an keinem Ort der Welt vor der Justiz sicher fühlen können. Noch gibt es Hunderte ruandische Völkermordverdächtige, die sich irgendwo in Europa und Afrika verstecken. Die meisten Regierungen wissen wo sie leben, aber sie schauen weg.

Völkermörder zu schützen, ist kein Versäumnis, es ist ein Versagen. Denn die Überlebenden des Genozids und die Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen Gerechtigkeit erfahren. Die Länder, die den mutmaßlichen Tätern Unterschlupf gewähren, sollten sie endlich festnehmen und vor Gericht stellen. Wenn sie dazu nicht in der Lage oder nicht willens sind, dann sollten sie die Verdächtigen an die Heimatländer ausliefern, damit sie sich dort der Gerechtigkeit stellen müssen. Nur so können die Opfer, die Betroffenen, die Überlebenden, die bis heute an den Folgen des Völkermordes leiden, mit sich ins Reine kommen.

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