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Politik

Vernichtender Schlag für Boris Johnson

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
24. September 2019

Der britische Supreme Court hat dem Premierminister eine vernichtende Niederlage zugefügt. Der Zwangsurlaub für das Unterhaus ist rechtswidrig, Boris Johnson ist reif für den Rücktritt, meint Barbara Wesel.

Hochmut kommt vor den Fall. Das gilt für die Missachtung der konstitutionellen Regeln, die in Großbritannien eine geschriebene Verfassung ersetzen. Es gilt für die Missachtung der Gesetze und der richterlichen Unabhängigkeit. Und ebenso gilt es für die Missachtung des Parlamentes und seiner Rechte und Aufgaben. Boris Johnson hat geglaubt, er könne sich über all dies hinwegsetzen und wie ein autoritärer Herrscher seine Idee vom Brexit durchpeitschen. Das Urteil des Supreme Court fällt wie eine Axt auf die antidemokratischen Ambitionen des Premierministers.

Mutter der Parlamente siegt über Vater der Lügen

Die höchsten Richter in London haben einstimmig geurteilt, was niemand erwartet hatte. Sie haben die Aussetzung des Parlamentes rundum und von Anfang an für unrechtmäßig erklärt. Schon eine Stunde später fanden sich erste Abgeordnete symbolisch wieder auf den Bänken des Unterhauses ein. Das Einzige, was das Gericht Boris Johnson ersparte, ist die direkte Feststellung, dass er die Queen belogen habe, als er ihr empfahl, das Parlament in Zwangsurlaub zu schicken. Aber die Urteilsbegründung deutet auf diese Lüge hin.

Dies sei ein Kampf zwischen der Mutter der Parlamente und dem Vater der Lügen, hatte ein Klägeranwalt während der Verhandlung schlagkräftig formuliert. Aus diesem Kampf geht die parlamentarische Demokratie als Siegerin hervor. Es ist Aufgabe der Abgeordneten, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, und dieses Recht und diese Pflicht kann der Premierminister nicht nach Belieben - und mit falschen Begründungen - aussetzen, so stellte das Gericht unmissverständlich fest.

DW-Korrespondentin Barbara Wesel

Das Urteil bedeutet weit mehr als einen vernichtenden politischen Schlag für Boris Johnson. Es stellt ein für alle mal fest, dass die Exekutive die Machtbalance zwischen Parlament und Regierung nicht nach Belieben zu ihren eigenen Gunsten verschieben kann. Ihr Handeln ist immer und unter allen Umständen von den gewählten Abgeordneten überprüfbar. Britische Juristen nennen das Urteil ein rechtliches Erdbeben, weil dieses Prinzip jetzt durch ein höchstrichterliches Urteil festgestellt wurde, das selber Recht setzt. 

Johnson ist reif für den Rücktritt

Unter normalen Umständen wäre dieses Urteil ein Grund für den sofortigen Rücktritt. Zum ersten Mal in der britischen Geschichte hat das höchste Gericht festgestellt, dass ein Premierminister in einer so elementaren Frage widerrechtlich gehandelt hat. Aber Boris Johnson wird sich vermutlich an seinen Grundsatz klammern, dass Frechheit siegt. Die Opposition muss sich jetzt zusammenraufen, und dem Spuk in der Downing Street ein Ende machen. Eine Übergangsregierung wäre der beste Weg aus der politischen Sackgasse, auch was den weiteren Umgang mit dem Brexit angeht. 

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Boris Johnson hat in seiner kurzen Amtszeit den demokratischen Institutionen des Landes mehr Schaden zugefügt, als andere in einem Jahrzehnt. Er hat gezeigt, dass er die Gesetze und Regeln Großbritanniens grundsätzlich missachtet, und sie mit Füßen getreten. Das führte zu dem einzigartigen Spektakel, dass unter anderem der Tory John Major, bis 1997 selbst Premier, gegen den derzeitigen Amtsinhaber vor dem Obersten Gericht Klage erhob. Die konservative Partei sollte den Rest ihrer Glaubwürdigkeit retten und sich aus eigenem Antrieb von dem großen Zerstörer ihrer Werte und Grundsätze trennen.

Die Kraft des Einzelnen

Abgesehen davon aber, dass der Supreme Court die Rechte des Parlamentes festgeschrieben und bekräftigt hat, gibt es einen weiteren ermutigenden Aspekt bei diesem Verfahren in London. Es zeigt, dass einzelne Bürger gegenüber der Zerstörung demokratischer Grundsätze nicht wehrlos sind. Die Geschäftsfrau Gina Miller hat - unter persönlichen und finanziellen Opfern - zum zweiten Mal ihren Kampf zum Erhalt der parlamentarischen Demokratie vor das oberste Gericht getragen und zum zweiten Mal obsiegt. Sie war es, die den Prozess angestrengt hat, und es war vor allem ihr Anwalt, der durch die Klarheit seiner Argumentation überzeugte. Ihr Beispiel zeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen, dass Einzelne es nicht schweigend hinnehmen müssen, wenn Regierungen die Demokratie demontieren.

Boris Johnson aber, der geglaubt hatte, er stehe über dem Recht, sollte sich beschämt in ein Loch verkriechen. Es ist jetzt Sache der Opposition, den Deckel drüber zu schieben und sicher zu stellen, dass er nachhaltig aus der britischen Politik verschwindet. Und dann bliebe noch, nach dem Vorbild des alten Rom, seinen Namen der Vergessenheit anheim zu geben. Für den geltungssüchtigen Premier kann es eine schlimmere Strafe nicht geben.

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