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Das Gift der Zufriedenheit

Henrik Böhme6. April 2015

Ostertage in Deutschland: Die meisten Deutschen verbringen sie mit dem zufriedenen Gefühl, dass es ihnen gut geht. Ähnlich zufrieden wirkt die Regierung. Ein Trugschluss, meint Henrik Böhme.

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Bild: Photo-K/Fotolia

Der Crash kommt, soviel steht fest. Alles deutet darauf hin. Denn die Lage in Deutschland ist zu gut, um wirklich wahr zu sein. Das wichtigste deutsche Börsen-Barometer, der Dax, bewegt sich in schwindelerregenden Höhen. Der bisher niedrigste Stand in diesem Jahr waren 9300 Punkte, ein Niveau, das in der Zeit davor als schier unerreichbar galt. Überall werden Wachstumsprognosen nach oben korrigiert, wichtige Konjunktur-Sensoren wie der ifo-Index weisen in dieselbe Richtung.

Vergleichsweise geräuscharm werden Tarifverhandlungen abgeschlossen, nicht gerade mit üppigen, aber doch vernünftigen Ergebnissen. Die Zahl der Arbeitslosen ist so niedrig wie seit 24 Jahren nicht, die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften ist unverändert hoch. Die Leute haben mehr Geld in der Tasche - und sie geben es auch aus. Für Urlaubsreisen, für neue Autos.

Euro-Gewinner

Deutschland ist der einzige wirkliche Gewinner der Krise in der Eurozone. Würde man noch mit D-Mark bezahlen, wäre die so hoffnungslos überbewertet, das Deutschlands Exporteure nichts mehr verkaufen könnten. Andererseits gilt auch, dass das Land harte Reformen hinter sich hat mit sehr bescheidenen Lohnabschlüssen oder gar Nullrunden. Davon profitiert die deutsche Wirtschaft bis heute.

Hinzu kommt ein praktisch kostenloses Konjunkturprogramm: Der Ölpreis hat sich seit dem vergangenen Jahr praktisch halbiert, und der Euro ist ziemlich schwach auf der Brust im Vergleich zum Dollar. Das hilft den deutschen Exporteuren, und davon gibt es reichlich.

Henrik Böhme, DW-WirtschaftsredaktionBild: DW

Also alles gut in Deutschland? Ja. Aber nur auf den ersten Blick.

Denn die Welt wird beherrscht von großer Unsicherheit. Hier sei nur die die Ukraine-Krise erwähnt und die daraus resultierenden Spannungen mit Russland. Vor ziemlich genau zwei Jahren eröffnete Präsident Putin die Hannover Messe, man sprach von boomenden Wirtschaftsbeziehungen und einem gigantischen Markt der Zukunft. Heute unvorstellbar. Was zeigt: So schnell können sich die Dinge ändern.

Der enteignete Sparer

Getragen wird der vermeintliche Aufschwung nur von den Geldspritzen der Zentralbanken. Was Washington vorgemacht hat, machen Europas Währungshüter nun nach. Man wirft unvorstellbare Mengen an Geld auf den Markt, in der Hoffnung, die Banken würden dann schon wieder Kredite vergeben, wenn man ihnen die Altlasten abkauft. Das Ganze garniert mit einer Null-Zins-Politik. Ein gefährlicher Cocktail, dessen Wirkung im besten Fall ungewiss ist und im schlimmsten Fall verheerend. Die Sparer - und die Deutschen galten mal als ein Volk der Sparer - werden um ihr Erspartes gebracht. Sinnvoll Geld anlegen kann man derzeit nicht. Also fließt derzeit vieles von dem Geld der Zentralbanken auf verschlungenen Wegen an die Börse - dies und die große Unsicherheit erklärt auch die Höhenflüge an den Weltbörsen.

Spannend wird es, wenn die Zentralbanken aus der Politik des billigen Geldes aussteigen. In Washington bereitet man die Märkte seit Monaten darauf vor, der Entzug soll so behutsam wie möglich geschehen. Aber klar ist auch: So ein Ausstieg kann im Desaster enden. Nicht jede Entzugstherapie hat schließlich Erfolg. Leidtragende sind im Moment die Schwellenländer, da Investoren ihr Geld von dort wieder abziehen und lieber in den USA anlegen, was ihnen sicherer scheint.

Tipps fürs Kanzleramt

Was heißt das alles für Deutschland? Zumindest das: Die Bundesregierung sollte damit aufhören, milliardenschwere Geschenke zu verteilen. Sie sollte aufhören, ihren europäischen Partnern (ja, auch Athen!) Ratschläge zu erteilen. Sie sollte so etwas wie Reformeifer entfalten, denn die Erfolge von heute sind kein Ergebnis ihrer Arbeit, sondern der ihrer Vorvorgänger. Zehn Milliarden Investitionspaket gut und schön, aber für eines der reichsten Länder der Welt lächerlich klein. Angesichts einer Infrastruktur, die längst auf Verschleiß gefahren wird und einer Breitbandausstattung, über die man in, sagen wir: Südkorea oder Lettland, nur müde lächeln dürfte.

Ja, man könnte von einem Boom in Deutschland sprechen, wenn man den Moment betrachtet. Doch eben das verkleistert bei vielen leider den Blick auf die Realität. Wenn es plötzlich wieder in die andere Richtung geht, ist Deutschland jedenfalls denkbar schlecht gerüstet.

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