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Politik

Klimaschützer und normale Bürger

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
9. Oktober 2019

Die Regierung verkauft das neue Klimaschutzgesetz als großen Wurf. Aber noch immer schreckt die Politik davor zurück, den Menschen den Preis für den Schutz des Klimas wirklich zuzumuten, meint Jens Thurau.

Bild: AFP/Getty Images/J. MacDougall

Helge Braun, der Chef des Kanzleramtes von Regierungschefin Angela Merkel, tritt nicht so furchtbar oft in der Öffentlichkeit auf. Aber jetzt hat er im deutschen Fernsehen die Klimaschutzpläne der Regierung verteidigt. Mit einem entlarvenden Satz: Die Ideen der Regierung gingen den "Klimaschützern" nicht weit genug. "Aber für den normalen Bürger ist das bei weitem ehrgeizig genug." Punkt.

Man könnte meinen, die Politik wäre schon weiter. Auf der ganzen Welt gehen junge Menschen derzeit auf die Straße, um endlich energische Schritte beim Kampf gegen die Treibhausgase einzufordern. Auch in diesen Tagen wieder, auch in Berlin. Aber die Regierung tut so, als hätte sie noch unendlich viel Zeit.

Keine Lenkungswirkung erkennbar

Monatelang ist im Vorfeld der Entscheidung über den Preis für ausgestoßenes Kohlendioxid gesprochen worden,  alle Experten waren sich einig, dass die Bepreisung von Treibhausgasen das wichtigste Instrument ist, um wirklich eine Senkung der Emissionen zu erreichen. Rausgekommen ist ein "Startpreis" von zehn Euro, der auch erst ab Anfang 2021 wirken soll. Zehn Euro! Zu Recht sagt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der der Berliner Regierungspartei SPD angehört, das sei ein "Gegenwert" von drei bis vier Gläsern Bier. Mit anderen Worten: Eine Lenkungswirkung nicht erkennbar. Dabei hatten Experten den Regierenden vorgerechnet, dass wirkliche Auswirkungen erst ab einem Preis von 40 bis 50 Euro zu erwarten seien. Genutzt hat es nichts.

DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Nochmal zurück zu Kanzleramtschef Helge Braun: Hier die Klimaschützer, da die normalen Bürger. Immer schon ist die Klimaschutzpolitik, nicht nur in Deutschland, zurückgeschreckt vor diesem einen, entscheidenden Punkt: Glaubt man den Warnungen der Wissenschaft, die deutlicher nicht sein können, dann erfordert der Klimawandel eine System-Umstellung, nichts weniger. Er erfordert Änderungen im Alltagsverhalten, in der Arbeitswelt, bei der Energieerzeugung, bei der Art, wie wir uns ernähren und fortbewegen. Es kann nicht das Ziel sein, den jungen Klimaaktivisten einen Gefallen zu tun und allen anderen Bürgen Lasten zu ersparen.

Deutschland hat lange in erster Linie auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien gesetzt und tut es immer noch. Gleichzeitig ist das Land aus der Kernenergie ausgestiegen. Das hat vor allem bei Regierungspolitikern zu der Ansicht geführt, das müsse doch nun reichen. Tut es aber nicht: Das Ziel, bis 2020 40 Prozent an Klimagasen zu mindern, wird verfehlt. Überhaupt haben die inzwischen vier Regierungen Merkel seit 2005 viel angekündigt und versprochen, aber vieles eben nicht eingelöst.

Bisher ist nichts passiert. Und jetzt nicht viel.

Eine Million Elektroautos wollte die Kanzlerin bis 2020 auf die Straße bringen, zur Zeit sind es gerade mal 83 000. Jetzt, bei den Debatten über das Klimaschutzpaket, ist viel darüber geredet worden, was mit den Pendler auf dem Land geschieht, die auf das  Auto angewiesen sind und jetzt höhere Benzinpreise fürchten. Mit mehr E-Autos wäre das Problem jetzt ein Geringeres. Aber es ist ja eben nichts passiert.

Was bleibt, ist die eine positive Nachricht: Erstmals werden die Klimaschutzziele aus der unverbindlichen Ankündigung herausgeholt und per Gesetz geregelt. Das immerhin ist ein Durchbruch. Die Ziele selbst aber sind erschütternd gering ausgefallen. Und von Seiten der Politik ist es einfach zu wenig, zu betonen, dass das jetzt Beschlossene den "normalen Menschen" reicht. Denn auch die sind vom Klimawandel betroffen, schon jetzt.

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