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Hinrichtung

Peter Philipp4. Januar 2007

Mit den Video-Bildern von Saddam Husseins Hinrichtung bedient der Irak die Sucht nach Gewalt-Voyeurismus. Dieser ist freilich nicht nur im Irak anzutreffen, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

Symbolbild Kommentar Buchstaben Teller und Löffel


Die Verärgerung offizieller irakischer Stellen schien überzeugend: Dass trotz strikter Anweisungen jemand die Hinrichtung Saddam Husseins gefilmt und dann kommerziell verbreitet hatte, entsprach nun gar nicht dem Eindruck, den die Bagdader Regierung machen möchte. Nämlich den der Regierung eines Rechtsstaates. Dabei übersah man geflissentlich, dass noch viel peinlicher und fragwürdiger als das unerlaubte Filmen das Benehmen der Hinrichtungszeugen war. Immerhin handverlesene Funktionsträger, die sich dann aber doch benahmen wie ein unkontrollierbarer Mob und deren Benehmen erst recht nichts mit Rechtsstaatlichkeit gemein hatte. Wenn man solches überhaupt in Verbindung mit einer Hinrichtung erwarten kann.

Sensationslust geht in Blutrunst über

Schütteln wir aber nicht mit dem Kopf und seien wir aber nicht überheblich: Neben solchen politischen und vielleicht auch juristischen Überlegungen hat der Fall nämlich auch eine andere Seite. Und wir haben es hier keineswegs nur mit einem krassen Beispiel von "Voyeurismus im Zweistromland" zu tun, sondern mit einer Erscheinung, die immer deutlicher auch anderswo zu beobachten ist, wo es ja durchaus auch eine Diskrepanz gibt zwischen humaner Gesetzgebung und dem Rechtsempfinden der Straße.

Es scheint ein Problem der menschlichen Schwäche zu sein, gegen das man mit Gesetzen und Vorschriften alleine nicht ankommt. Und es geht dabei in erster Linie um die Sensationslust der Menschen: Sie fängt bei den Gaffern an Unfallstellen im Straßenverkehr an, setzt sich fort im Erfolg brutaler Kino- oder Fernsehfilme und hat ihren neuen Höhepunkt in selbst-inszenierten Grausamkeiten, bei denen Sensationslust endgültig in Blutrunst übergeht. Zum Beispiel, wenn Jugendliche ein Opfer vor laufender Kamera krankenhausreif schlagen und den Mitschnitt untereinander austauschen.

Neuer Trend: "Private Reporter"

Herstellung und Verbreitung solcher Videos sind heute technisch kein Problem mehr. Als Terrorgruppen in den letzten Jahren die Ermordung von Geiseln dokumentierten oder Selbstmordattentäter ihre letzte Botschaft verewigten, da verwendeten sie dazu noch Video-Kameras - heute machen Mobiltelefone mit Foto- und Videofunktion die Sache leichter. Was eigentlich für Urlaubsschnappschüsse gedacht war, macht aus scheinbar biederen Bürgern Horror-Regisseure.

Und die sich über die Produkte solch kranker Seelen empören, ermuntern diese vielleicht sogar noch zu ihrem Treiben: So werden inzwischen weltweit Zeitungsleser und Fernsehzuschauer aufgefordert, mit ihren Mobiltelefonen als "private Reporter" tätig zu werden. Immer nach dem Motto: Je sensationeller das Foto oder der Videoclip, desto besser. Gegen Honorar, versteht sich.

Hemmschwelle der Zuschauer sinkt

Durch Anstachelung der Geldgier senken bestimmte Medien damit die Hemmschwelle ihrer Leser und Zuschauer. Und merken nicht, dass auch ihre eigene Hemmschwelle immer weiter absinkt, gewisse Grausamkeiten zu veröffentlichen. Meist noch unter dem Vorwand, solches "müsse doch dokumentiert werden" und in Verbindung mit einer immer künstlicheren moralischen Empörung. So ist denn mit Recht viel gegen die Aufnahmen von der Saddam-Hinrichtung zu sagen, sie sollten den Kritikern aber auch Anlass sein, selbst zur Besinnung zu kommen und eigenen Fehlentwicklungen Einhalt zu gebieten.

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