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Politik

Wandel durch Annäherung ist möglich

6. März 2018

Die rasante Annäherung zwischen Nord- und Südkorea ist das Verdienst des südkoreanischen Präsidenten Moon, der fest an einen "Wandel durch Annäherung" nach deutschem Vorbild glaubt, meint Alexander Freund.

Bild: Reuters/Jung Yeon-Je

Erstaunte Gesichter oder ungläubiges Entsetzen: Im vergangenen Juli hatte der frischgewählte südkoreanische Präsident mit seiner Berliner Rede alle überrascht. Bewusst wählte Moon Jae In die lange geteilte deutsche Hauptstadt für eine Grundsatzrede über seine künftige Nordkorea-Politik. Er glaube an einen "Wandel durch Annäherung": Deutschland habe gezeigt, dass man allen Widrigkeiten zum Trotz niemals an einer Aussöhnung und Wiedervereinigung zweifeln dürfe. Seine Berliner Rede sorgte im Publikum für Erstaunen und Fassungslosigkeit zugleich. "Träumer!", "Visionär!" oder "Verräter!" zischten einige ältere Koreaner im wohlwollenden Schlussapplaus.

Denn der Menschenrechtsanwalt setzt im Gegensatz zur konservativen Vorgängerregierung auf Dialog, Abrüstung und Frieden. Südkorea strebe nicht den Zusammenbruch oder die Absorption des Nordens an, vielmehr gehe es um eine schrittweise Annäherung. Notfalls in kleinen Schritten, mit vertrauensbildenden Maßnahmen. Hauptsache, man komme wieder ins Gespräch. Es könne eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit und Familienbesuche geben, Nordkorea könne an den Olympischen Winterspielen teilnehmen und überhaupt, er würde auch Kim Jong Un treffen.

Diese Dialogbereitschaft signalisierte Moon ausgerechnet in einer Zeit, in der sich der ebenfalls neue US-Präsident Trump und der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un mit wechselseitigen Drohungen und Beschimpfungen überzogen. Sanktionen folgten auf Raketentests, flammende Reden im UN-Sicherheitsrat, Resolutionen, der ganz normale Irrsinn eben, den wir schon seit Jahrzehnten im Umgang mit Nordkorea erleben.

DW-Asien-Chef Alexander Freund: Jetzt sind die Koreaner am Zug

Moons Politik zeigt plötzlich Wirkung

So richtig wollte niemand an einen Erfolg der ausgestreckten Hand glauben. Selbst der dialogbereite Moon musste nach den andauernden nordkoreanischen Provokationen eine weitere Verschärfung der Sanktionen fordern. Plötzlich aber zeigte diese Kombination aus Härte und grundsätzlicher Gesprächsbereitschaft Wirkung: In seiner Neujahrsrede erklärte sich Nordkoreas Machthaber überraschend bereit, eine Delegation zu den Olympischen Winterspielen nach Pyeongchang zu schicken.

So kam auf einmal Bewegung in die festgefahrenen Beziehungen, erst steife Treffen von militärischen Delegationen, die Wiedereinrichtung eines heißen Drahtes, dann ein gemeinsamer Einzug ins Olympiastadion, gemeinsame Sportteams, die Charmeoffensive von Kims Schwester. Tage später empfängt Kim persönlich die hochrangige Delegation aus dem Süden zum Dinner, und jetzt die kleine Sensation: Es soll ein gemeinsames Treffen von Kim und Moon geben, möglicherweise bereits im April. Und mehr noch: Während der Dialogphase wolle Nordkorea sogar auf weitere Raketentests verzichten. Angeblich könne man sogar über eine atomare Abrüstung reden, denn es gebe keinen Grund für das umstrittene Nuklearprogramm, wenn es keine Drohungen mehr gegen Nordkorea gebe und die Sicherheit der nordkoreanischen Führung garantiert werde.

Der US-Präsident kommentierte die Dialogbereitschaft wie gewohnt per Twitter. "Wir werden sehen, was passiert", schrieb er über den Kurznachrichtendienst. Möglicherweise mache man sich "falsche Hoffnungen". Aber die USA seien bereit, "fest in jede Richtung voranzuschreiten".

Hoffnung auf Geben und Nehmen auf der koreanischen HalbinselBild: Getty Images/AFP/Jung Yeon-Je

Jetzt müssen die USA mitziehen

Natürlich, Vorsicht ist weiter geboten, Nordkorea bleibt unberechenbar. Aber Moons ausgestreckte Hand brachte weit mehr als Trumps und Kims Säbelrasseln der letzten Monate. Diese Annäherung ist nicht das Verdienst eines twitternden Trump und auch nicht eines immer mächtiger werdenden Xi Jinping in China. Sicherlich haben erst die verschärften Sanktionen Kim an den Verhandlungstisch gedrängt, aber es braucht eben auch Partner, die zu Verhandlungen bereit sind. Jetzt muss Moon die Schutzmacht USA davon überzeugen, ebenfalls Entgegenkommen zu zeigen und zum Beispiel das bereits einmal verschobene gemeinsame Manöver der südkoreanischen und amerikanischen Streitkräfte vor Kims Haustür erneut zu vertagen.

Nur im Dialog kann eine Eskalation verhindert werden. Alle müssen sich bewegen, denn ein offener Konflikt hätte nur Verlierer - vor allem in Korea. Und es sind nach Jahrzehnten der Fremdbestimmung jetzt die Koreaner, die über ihre Zukunft entscheiden sollten, und nicht die fernen Supermächte. Die internationale Staatengemeinschaft kann die beiden Koreas dabei tatkräftig unterstützen. Ein Wandel durch Annäherung ist möglich, das hat schon die deutsche Geschichte bewiesen.

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