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Kommentar: Warum erst jetzt?

Christoph Hasselbach22. Mai 2013

Die EU-Staaten wollen gemeinsam gegen Steuerbetrug vorgehen. Darauf haben sich die Regierungen bei einem Sondergipfel geeinigt. Doch erst die Wirtschaftskrise hat ihnen Beine gemacht. Christoph Hasselbach kommentiert.

Porträt Christoph Hasselbach, DW Studio Brüssel. Copyright: DW April, 2012
Porträt Christoph Hasselbach DW Studio BrüsselBild: DW

Die Stunde des Bankgeheimnisses in Europa hat offenbar bald geschlagen. Die Möglichkeiten von Privatpersonen, im europäischen Ausland Vermögen vor dem heimischen Fiskus zu verstecken, schrumpfen. Und auch die großangelegten Steuervermeidungsstrategien internationaler Unternehmen werden schwieriger durchzusetzen. Wenn man bedenkt, um welche Summen es hier geht, stellt sich die Frage, warum das nicht früher passiert ist. Nach EU-Angaben entgehen den Mitgliedsstaaten jedes Jahr sage und schreibe tausend Milliarden Euro an Einnahmen. Was man damit nicht alles machen könnte! Alle Rettungspakete zusammen betragen zum Beispiel weit weniger. Und besonders ärgerlich ist: Die normalen Steuerzahler müssen die Einnahmeausfälle ausgleichen. Trotzdem hat sich bisher bei den Regierungen kaum jemand für das Thema interessiert. Erst die Wirtschaftskrise hat die Gerechtigkeitsfrage neu gestellt: Warum steigen Steuern und Abgaben in Griechenland, Portugal oder Spanien, wenn manche Reiche und Unternehmen ziemlich ungeschoren davonkommen?

Die Steuerparadiese sind unter uns

Beherzte Maßnahmen sind also eine absolute Selbstverständlichkeit. Dass die Staats- und Regierungschefs so spät handeln, liegt vor allem daran, dass ganze Staaten vom bisherigen steuerlichen Desinteresse sehr gut gelebt haben: Die bisherigen Bremser Luxemburg und Österreich gehören dazu, und selbstverständlich Großbritannien. London ist nicht nur der mit Abstand wichtigste Finanzplatz Europas, London ist auch eine Drehscheibe für Finanzanlagen in allerlei schwach kontrollierten Steuerparadiesen wie den Kanal- und den Cayman-Inseln. Am Beispiel Zyperns wiederum stellt sich die Gerechtigkeitsfrage noch drängender: Hier muss sogar der europäische Steuerzahler über den Rettungsfonds ESM auch noch für gescheiterte Banken mithaften, die erst durch ihre unlautere Konkurrenz so groß geworden sind.

Noch nichts ist sicher

Doch auch jetzt ist noch nichts in trockenen Tüchern. Luxemburg will zwar sein Bankgeheimnis für Zinseinkünfte aufgeben, hat den automatischen Informationsaustausch bei anderen Kapitaleinkünften aber von den Verhandlungen mit den europäischen Drittstaaten und Finanzplätzen Schweiz, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Andorra abhängig gemacht. Auch aus anderen Hauptstädten sind keine klaren Festlegungen dazu zu hören. Doch diese anderen Kapitaleinkünfte sind die entscheidenden. Der Datenaustausch wird also wohl kommen. Der Druck ist so gewaltig, dass es sich kein Land auf Dauer wird leisten können, als Heimstatt für Steuerhinterziehung dazustehen. Doch es kommt dann darauf an, was der Austausch alles abdecken wird. Gerade hier aber wird sich zeigen, wie ernst es die EU-Staaten mit ihren Bekenntnissen wirklich meinen. Und das ist dann auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der EU in den Verhandlungen mit Drittstaaten weltweit: Nur wenn die Mitgliedsstaaten in der Steuerpolitik zuhause an einem Strang ziehen, werden sie andere für ein globales Abkommen gewinnen können.

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