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Politik

Warum Trump funktioniert - und was wir davon lernen sollten

Ines Pohl Kommentarbild App
Ines Pohl
26. September 2016

Die erste Debatte zwischen Clinton und Trump dürfte das bisher größte politische TV-Ereignis der Geschichte werden. Warum das so ist und was die Welt von Donald Trumps Erfolg lernen sollte, kommentiert Ines Pohl.

Bild: Getty Images/J. Raedle

1. Inszenierung statt Inhalt

In der Geschichte des Fernsehens gab es noch nie ein politisches Ereignis, das von so vielen Menschen verfolgt werden wird, wie die erste TV Debatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump. Nicht nur in den USA, in der ganzen Welt werden insgesamt über 100 Millionen Menschen vor den Bildschirmen sitzen. Das hat nicht nur etwas mit der globalen Bedeutung zu tun, die das Amt des US-amerikanischen Präsidenten hat. Es liegt vor allem an dem bisher noch nie dagewesenen Stil von Donald Trump, der es meisterhaft versteht, seine Auftritte in Spektakel zu verwandeln, die durch Provokationen und Tabubrüche unterhalten. Offensichtlich verfängt diese Taktik bei vielen Menschen, denen eine sachliche Auseinandersetzung mit dieser komplizierten Welt zu anstrengend, vielleicht auch zu frustrierend geworden ist.

2. Behauptung statt Fakten

Die Taktik von Trump und seinem Team ist es, Unwahrheiten so oft zu wiederholen, bis sie sich im öffentlichen Diskurs als Tatsachen fest gefressen haben. Das Problem dabei ist, dass es in den USA keine Institutionen mehr gibt, die über die notwendige Glaubwürdigkeit verfügen, um diese Behauptungen als das zu entlarven, was sie sind: schlichte Lügen. In diesem extrem polarisierenden Wahlkampf sind die gesellschaftlichen Kräfte aufgerieben worden, die diese Aufgabe hätten erfüllen können. Dieses Versagen der Eliten ist eine ausgesprochen ernst zu nehmende Gefahr. Demokratien verlieren ihre Instrumente, Demagogen daran zu hindern, durch gezielte Desinformationen die Herrschaft über den öffentlichen Diskurs zu gewinnen.

3. Quote statt Journalismus

Die Medien haben Donald Trump groß gemacht, weil sie ihren journalistischen Auftrag der Quote geopfert haben. Weil dieser neue Stil, diese krawallige Dauererregung, die Donald Trump von Anfang an erzeugt hat, auch Dauerquoten versprach. Deshalb sprang man über jedes Stöckchen, das Trump den Journalisten hinhielt. Aus einem Wahlkampfauftritt wurde eine mehrstündige TV-Übertragung, die dem Geschäftsmann aus New York eine stundenlange Werbe-Plattform bot. Viel zu spät im Wahljahr begannen die Journalisten, seine Behauptungen faktisch zu überprüfen und zu hinterfragen.

Ines Pohl ist DW-Korrespondentin in Washington

4. Leben in Parallelwelten

Mit den Sozialen Netzwerken gibt es immer weniger übergreifende Kommunikationsräume. Wählerinnen und Wähler bleiben zunehmend in ihren eigenen Welten, tauschen sich nur noch mit Gleichgesinnten aus, informieren sich über Mediendienste und Angebote, die gar keinen Anspruch mehr haben, objektiv zu berichten und Argumente fair zu wägen. Die Mainstream-Medien haben bisher noch keinen Weg in diese Parallelwelten der Sozialen Netze gefunden. Donald Trump hat das sehr früh erkannt und mit Twitter einen Weg gefunden, mit seinen Unterstützern direkt zu kommunizieren. Die unterkomplexe Klarheit seiner Botschaften ist dabei wie gemacht für Internetdienste, die nur eine bestimmte Anzahl an Zeichen erlauben.

5. Sehnsucht nach Lösungen

Es spielt keine Rolle, wie realistisch Trumps Pläne sind, beispielsweise eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu erreichten oder mit Militärschlägen den IS erfolgreich zu besiegen. Die Menschen sind frustriert und hoffnungslos, sind verunsichert und haben Angst, von ihrem Wohlstand abgeben zu müssen und wollen an simple Lösungen glauben. Sie fühlen sich ernst genommen, weil Donald Trump konkret wird und konkrete Projekte verspricht und Schuldige benennt.

6. Protest gegen das Bestehende

Kein Präsidentschaftskandidat stand bisher so sehr für das Establishment wie Hillary Clinton. Was ihre Befürworter als Kompetenz deuten, ist für ihre Kritiker und Gegner vor allem ein Beweis dafür, wie korrupt das politische System ist und wie sehr die Eliten das Land als Selbstbedienungsladen verstehen. Auch Bernie Sanders war deshalb so erfolgreich, weil er sich als der revolutionäre Außenseiter in Szene gesetzt hat. Viele Menschen sind vom bestehenden politischen System frustriert. Und damit ist ein Großteil der Unterstützung von Donald Trump schlichter Protest.

7. Verweigerung der Wirklichkeit

Die Menschen träumen von einer Vergangenheit, die in der globalisierten Welt keine Zukunft hat. Die Trump-Propaganda und seine Machtphantasien sind in weiten Teilen die Verweigerung der Wirklichkeit. Sein Erfolg hat mit dem Bildungsniveau vieler Amerikaner zu tun - aber nicht nur. Denn ein Großteil der Trump-Unterstützer hat durchaus einen Highschool Abschluss. Immer mehr Menschen bewegen sich zunehmend in virtuellen Parallelwelten und verlieren darüber den Bezug zur Wirklichkeit. Es ist kein Zufall, dass Donald Trump als Moderator einer Reality Show so erfolgreich war.

8. Alles ist möglich

Niemand hielt es am Anfang dieses Wahljahres für möglich, dass Donald Trump tatsächlich seine republikanischen Mitbewerber besiegen und ernsthafte Chancen auf das Präsidentenamt haben könnte. Nicht nur der Brexit, auch das Phänomen Donald Trump belegen, dass das Establishment den Elfenbeinturm besser schleunigst verlassen und sich in die Niederungen der Alltagsprobleme der Wählerinnen und Wähler begeben sollte. Es mag vielleicht nur einen Donald Trump geben, und auch das US-amerikanische Wahlsystem besonders anfällig für Stimmungen und Populismen sein. Aber letztlich ist es das gesellschaftliche Klima, die immer tiefer werdende Kluft zwischen den Superreichen und den Menschen, die sich am Rande des Existenzminimums bewegen, das Donald Trumps Erfolg ermöglicht hat. Und diese Stimmungslage ist nicht auf die Vereinigten Staaten in Amerika begrenzt.

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