Was bleibt von Schimon Peres?
Es mache keinen Sinn sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, hat Schimon Peres einmal in einem Gespräch mit Gästen aus Deutschland gesagt. Und nun, nach seinem Tod, blicken doch alle zurück und fragen: Was bleibt von seinem Leben? Was hat der ehemalige Präsident erreicht?
Ein Erfolg war zweifellos, dass Schimon Peres Anfang der 1990er-Jahre verstanden hatte, dass Israel nur dauerhaft in Sicherheit Leben kann, wenn es einen Ausgleich findet. Eine Aussöhnung mit seinen arabischen Staatsbürgern und den Palästinensern in Gaza und Westjordanland. Er erkannte, dass die Geheimverhandlungen von Israelis und Palästinensern in Oslo ein möglicher Weg waren, einem jahrzehntelangen gewaltsamen Konflikt zu entkommen, der beiden Seiten jede Würde nahm. Das ist das Bild des Friedensnobelpreisträgers, des geläuterten Elder Statesman, dem in der westlichen Welt gedacht wird.
Ein Mann mit mehreren Gesichtern
Es gibt aber noch mindestens zwei andere Möglichkeiten an Peres zu erinnern. Und die verschiedenen Facetten sind kaum in Übereinstimmung zu bringen. Israels Linke wirft ihm vor, dass er sich nach 1967, nach dem Sechs-Tage-Krieg, für die Ansiedlung jüdischer Israelis im Westjordanland, im Gaza und auf dem Sinai eingesetzt hatte - im vollen Bewusstsein, damit gegen internationales Recht zu verstoßen. Er unterstützte aus politischen Motiven die Gründung der Siedlerbewegung Gusch Emunim, also den gefährlichen, religiösen Nationalismus in Israel. Er unterstützte die Menschen, die ihm später vorwarfen, mit den Osloer Verträgen die Sicherheit des Landes und das Siedlungsprojekt aufs Spiel gesetzt zu haben.
Die Liste der Kritik an seinen Entscheidungen lässt sich - unabhängig von politischen Lagern - endlos weiterführen: Sei es Peres Unterstützung für den Sinai-Krieg 1956 oder seine Ablehnung der Bombardierung des irakischen Atomreaktors 1981. Sei es seine Unterstützung für den Abzug israelischer Soldaten aus dem Libanon oder eben seine Entscheidung für einen Artillerieangriff auf Kana - ebenfalls im Libanon - 1996, bei dem mehr als 100 Zivilisten getötet worden waren.
Peres politische Karriere, die sich über 70 Jahre und schwierige Zeiten erstreckt, hält wirklich alles bereit. Und deshalb ist die Frage schwer zu beantworten nach dem, was bleibt. Jossi Beilin, einer der israelischen Architekten der Osloer Verträge, vermutet, Peres selbst hätte das Atomprogramm und den Reaktor Dimona zu seinen größten Erfolg gezählt. Peres sah sich selbst als "Mr. Sicherheit" und weniger als "Mr. Zwei-Staaten-Lösung".
Der Weg zurück ist verbaut
Das Problem dabei: Es ist in Israel und Palästina heute unmöglich geworden, an die Zeit von 1993 anzuknüpfen, also an Peres entscheidende Erkenntnis, dass Israels Sicherheit von der Sicherheit seiner Nachbarn abhängt. Dass ein Leben in Würde nur für alle gemeinsam möglich ist. Die Staats- und Regierungschefs der internationalen Gemeinschaft sind nach Jerusalem gekommen, um Abschied zu nehmen von Schimon Peres. Von dem Mann der ihnen zu recht oder zu unrecht bis zuletzt Hoffnung gemacht hatte, das Gespräche, Vertrauen und Ausgleich zwischen den Konfliktparteien in Nahost doch noch möglich sind.
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