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Weniger Korruption, weniger Terror

Thomas Mösch
Thomas Mösch
28. Mai 2016

Muhammadu Buhari hat seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr das weitere Abgleiten Nigerias in Korruption und Terror gestoppt. Aber einen Weg aus der Wirtschaftskrise hat er noch nicht aufgezeigt, meint Thomas Mösch.

Bild: picture-alliance/Zuma Press

Nigerias Präsident Muhammadu Buhari hat sein Amt am 29. Mai 2015 mit sehr schwerem Gepäck angetreten: Mit extrem hohen Erwartungen hatten die Wähler des westafrikanischen Landes ihn in einem beispiellosen Kraftakt gegen Amtsinhaber Goodluck Jonathan ins Amt gehievt. Noch nie zuvor hatte in Nigeria ein Kandidat aus der Opposition gewonnen.

Jonathans Regierung hatte ihre Aufgabe so schlecht gemacht, dass die Nigerianer von Buhari nun den versprochenen Wandel erwarteten - am besten sofort und auf allen Gebieten gleichzeitig. Eigentlich konnte Buhari diese großen Hoffnungen also nur enttäuschen, zumal er selbst in seiner Antrittsrede schnelle Lösungen für die wichtigsten Probleme versprach: Terrorismus, Korruption und Stromausfälle sollten schon bald der Vergangenheit angehören.

Boko Haram: zurückgedrängt, aber nicht verschwunden

Und tatsächlich räumte Buhari alsbald auf im Militär, wechselte die Führung aus und machte der dort grassierenden Korruption ein Ende. Die Armee vertrieb die Terroristen von Boko Haram innerhalb weniger Monate aus fast allen besetzten Gebieten und befreite hunderte Entführte aus den Fängen der Terrorgruppe. Viele Flüchtlinge machten sich auf den Weg zurück nach Hause. Doch die in die Enge getriebenen Terroristen schickten umso häufiger Selbstmordattentäter in Städte und Dörfer. Und die weltweit bekannten Mädchen aus Chibok blieben verschwunden. Bis heute ist nur eines von ihnen wieder aufgetaucht. Im Kampf gegen den Terror hat Buhari viele Erfolge vorzuweisen, gewonnen ist dieser Kampf aber noch nicht.

Thomas Mösch leitet die Haussa-Redaktion der DW

Buhari hatte außerdem versprochen, dass die im Volk verhassten Sicherheitskräfte unter seiner Führung die Menschenrechte achten würden. Hier ist die Bilanz bisher eher dürftig. Tatsächlich gibt es weniger Berichte über willkürliche Verhaftungen bei den Anti-Terror-Aktionen. Auch finden Menschenrechtsorganisationen immerhin Gehör und Kritik wird nicht mehr umgehend als Vaterlandverrat gegeißelt. Doch im Dezember 2015 massakrierten Soldaten mehr als 300 Schiiten - die in Nigeria zu einer kleinen Minderheit gehören. Außerdem sind zahllose Menschen, die aus den Händen von Boko Haram befreit wurden, direkt in Militärlagern verschwunden. Hier gibt es für den Präsidenten noch viel zu tun.

Absturz in der Wirtschaft, Erfolge gegen Korruption

Nicht viel besser sieht es in Sachen Wirtschaft aus. Haupteinnahmequelle Nigerias bleiben Erdöl und Erdgas. Wegen des Preisverfalls fließen kaum noch Devisen ins Land. Afrikas größter Ölproduzent kann deshalb seine Benzin-Importe nicht mehr bezahlen - die eigenen Raffinerien funktionieren schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Währung Naira ist abgestürzt - zumindest in den privaten Wechselstuben. Buharis Regierung weigert sich beharrlich, den offiziellen Kurs freizugeben und verschärft so die Devisenkrise weiter. Die Inflation steigt.

Außerdem bomben auf den Ölfeldern im Niger-Delta wieder Rebellen, sodass auch die Rohöl-Produktion einen Tiefstand erreicht hat. Immerhin, der neue Chef der staatlichen Ölgesellschaft sorgt dafür, dass die Zeiten des hemmungslosen Plünderns der Einnahmen vorbei sind.

Ohnehin sind die Erfolge im Kampf gegen die Korruption neben dem Zurückdrängen von Boko Haram Buharis größte Pluspunkte in diesem ersten Amtsjahr. Hunderte großer und kleiner Fische sind in den Netzen der Antikorruptionsbehörde EFCC gelandet. Sie wurde unter Buharis Vorgänger Jonathan an der kurzen Leine gehalten und darf nun wieder ungehindert ermitteln.

Die Nigerianer vertrauen Buhari - noch

Dieses Aufräumen und Buharis zahlreiche Auslandsbesuche haben Nigerias Image auch international wieder deutlich verbessert. Selbst die USA wollen nun die unter Jonathan gestoppten Waffenverkäufe wieder aufnehmen.

Trotzdem ist Buhari in seinem ersten Jahr viele Antworten schuldig geblieben. Wie er die Wirtschaft wieder flott machen will, bleibt genauso im Nebel wie seine Strategie im Umgang mit dem wachsenden Unmut im Gebiet der einst abtrünnigen Republik Biafra im Südosten des Landes. Das dort lebende Volk der Igbo konnte er bei den Wahlen im Frühjahr 2015 am wenigsten von sich überzeugen. Seitdem rufen Biafra-Aktivisten umso mehr nach Unabhängigkeit. Ihre Rhetorik ist zwar von einem in der Tat unappetitlichen Chauvinismus geprägt. Doch dass den Staatsorganen bisher als einzige Antwort nur Repression einfällt, stimmt nicht gerade optimistisch. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der sich die Ereignisse, die damals zum Bürgerkrieg führten, zum 50. Mal jähren. Buhari war als junger Offizier übrigens sowohl am letzten dem Krieg vorangehenden Staatsstreich beteiligt als auch auf Seiten der Regierungstruppen am Krieg selbst.

Der Streit um die kürzlich drastisch erhöhten Benzinpreise hat gezeigt, dass Buhari das fast grenzenlose Vertrauen vieler Nigerianer noch längst nicht aufgebraucht hat: Dem von Gewerkschaftern ausgerufenen Generalstreik wollte kaum jemand folgen. Doch das Grummeln in der Bevölkerung angesichts sich täglich verschlimmernder Lebensumstände wird lauter. Buhari darf die Ohren davor nicht verschließen.

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Thomas Mösch Afrika-Redakteur mit besonderem Blick auf Westafrika, Sicherheit und Ressourcenpolitik
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