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Politik

Wenn Außenpolitik zur Luftnummer wird

Schwartz Robert Kommentarbild App
Robert Schwartz
26. März 2019

Rumäniens Ministerpräsidentin Dancila hat wieder für Schlagzeilen gesorgt. Ihre Ankündigung, die Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen, schlug hohe Wellen. Denn das darf sie gar nicht, meint Robert Schwartz.

Im April 2018 besuchte Viorica Dancila Israel und traf dabei auch Staatspräsident Reuven RivlinBild: Reuters/H. Levine

Bereits vor einem Jahr hatte Rumänien in dieser Frage kurz für Aufsehen gesorgt. Parlamentspräsident Liviu Dragnea, Chef der regierenden Sozialdemokraten (PSD), hatte aus dem Nichts heraus angekündigt, "seine" Regierung habe ein Memorandum verabschiedet, das die Verlegung der rumänischen Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem vorsieht. Die von Dragnea gelenkte rumänische Ministerpräsidentin Viorica Dancila hatte die ehrenvolle Aufgabe, den Plan ihres Strippenziehers bei einem Besuch in Israel zu erläutern. Rumänien sollte das erste EU-Land sein, so Dragneas Kalkül, das dem Beispiel der USA folgen würde. Seine Begründung klang abenteuerlich: dies sei eine einmalige Chance, Rumänien kurz-, mittel- und langfristige Vorteile zu sichern. Was diese Vorteile konkret sein sollen, sagte er nicht.

Gegner Dragneas wird zum Antisemiten deklariert

Schon damals versuchte der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis, Ruhe in die Debatte zu bringen. Eine solche Entscheidung von internationaler Tragweite könne nicht gefällt werden ohne eine tiefgehende Analyse und genaue Abwägung der Folgen und Implikationen. Zudem müsse Rumänien als EU-Mitgliedsstaat auch in dieser Frage die gemeinsame europäische Politik vertreten. Erst wenn der umstrittene Status Jerusalems geklärt sei, könne man weitere Schritte überlegen, so der rumänische Präsident. Wegen dieser ablehnenden Haltung warfen ihm einige seiner schärfsten Kritiker sogar Antisemitismus vor. Ein Vorwurf, den Iohannis umgehend als absurd zurückwies.

Robert Schwartz leitet die Rumänische Redaktion der DW

Jetzt ist der Streit über die Verlegung der rumänischen Botschaft in Israel erneut entbrannt. Nach altem Muster. Ministerpräsidentin Dancila kündigte am vergangenen Sonntag bei der Jahrestagung der amerikanisch-israelischen Lobbyorganisation AIPAC in Washington an, sie und ihre Regierung würden nach abgeschlossener Analyse "unsere Botschaft nach Jerusalem verlegen, der Hauptstadt Israels".

Was kaum einer bemerkte: Dancila hatte die Chuzpe, das bisher nicht existente Ergebnis der Analyse vorwegzunehmen und eine Entscheidung zu verkünden, die es noch gar nicht gibt. Doch damit nicht genug. Die Entscheidung sei im Konsens mit allen relevanten Institutionen Rumäniens gefällt worden, erklärte sie. Wobei sie das Wesentliche vergaß zu erwähnen: Laut rumänischer Verfassung liegt die außenpolitische Richtlinienkompetenz beim Präsidenten. Und dieser reagierte vorerst gelassen. Erst nach abgeschlossener Analyse und der Einschätzung aller sicherheitsrelevanten Institutionen könne über dieses Thema entschieden werden. Wann dieser inzwischen einjährige Analyseprozess zum Abschluss kommt, behielt auch Iohannis für sich.

Die "persönliche Meinung" der Regierungschefin

Es mutet schon seltsam an, wenn die Regierungschefin eines EU-Staates, der gegenwärtig auch noch die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, quasi im Alleingang und allein auf Geheiß ihres Parteichefs die Außenpolitik ihres Landes bestimmen will. Noch seltsamer klingt es, wenn diese Regierungschefin nur wenige Stunden nach ihrem Auftritt in Washington diese Ankündigung öffentlich wieder zurückzieht. In einem Interview mit ihrem bevorzugten TV-Sender in Bukarest sagte Dancila, es sei allein ihre "persönliche Meinung" gewesen, die sie vor der Lobbyorganisation kundgetan habe. Verantwortungsvolle Außenpolitik klingt anders!

Ob sich Viorica Dancila dessen bewusst ist, wieviel Porzellan sie mit dieser Luftnummer zerschlagen hat, bezweifeln inzwischen nicht nur ihre Kritiker. Rumänien hat seit mehr als einem halben Jahrhundert gute Beziehungen zum Nahen Osten - sowohl mit Israel als auch mit den arabischen Staaten sowie den Palästinensern. Das dürfte sich jetzt geändert haben.

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