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Politik

Wer hat den längeren Atem?

Sandra Weiss
Sandra Weiss
24. Februar 2019

Der Machtkampf in Venezuela hat sich zu einem zermürbenden Stellungskrieg entwickelt. Dabei spielen vier Faktoren die entscheidende Rolle: Erdöl, Zeit, Geopolitik und das Militär. Sandra Weiss kommentiert.

Bild: picture-alliance/dpa/F. Llano

Vor einem Monat hat der Machtkampf um Venezuela mit der überraschenden Kampfansage von Oppositionsführer Juan Guaidó begonnen. Seither ging es Schlag auf Schlag: Dank einer sorgfältig vorbereiteten Kampagne erlangte er internationale Anerkennung, Massendemonstrationen setzen Machthaber Nicolás Maduro unter Druck und ein US-Erdölembargo zielt auf dessen Kriegskasse. Maduros Clique wirkte überrascht, reagierte defensiv, und seine Berater stritten sich sogar vor laufenden Kameras.

Das historische Momentum liegt bei der Opposition. Auch am Wochenende erreichte Guaidó sein Etappenziel: Fotos von Hunderttausenden beim Benefizkonzert der Opposition versus lichte Ränge beim Gegenkonzert von Maduro. Ein konzertierter "humanitärer Mehrfrontenangriff", bei dem man live miterleben konnte, wie tausende Zivilisten versuchten, Hilfsgüter nach Venezuela zu bringen und Milizionäre und Nationalgardisten diese Hilfe blockierten, auf Demonstranten schossen und Laster anzündeten.

Guaidó Präsident ohne Staat

An der Propagandafront scheint für Maduro der Krieg verloren: Er steht vor der Welt als skrupelloser, korrupter Diktator ohne Volk dar. Die bedenklichen Beweggründe einer neokonservativen Neuordnung Amerikas und die Vorgeschichten derjenigen, die wie der Drahtzieher der Iran-Contra-Affäre Elliott Abrams oder die erzkonservative kubanische Exillobby hinter Guaidó stehen, werden hingegen nur selten thematisiert.

DW-Korrespondentin Sandra WeissBild: Privat

Doch ein Konflikt – auch einer unter humanitärem Deckmantel - wird auch auf dem Terrain entschieden. Und da ist Guaidó noch immer ein Präsident ohne Staat. Vorerst ist er damit gescheitert, die Hilfe nach Venezuela zu bringen. Ein, zwei Dutzend Deserteure, auch so hochrangige wie der ehemalige Militär-Geheimdienstchef Hugo Carvajal, lassen noch nicht den Schluss zu, dass die Loyalität der Armeeführung wankt.

Mittlere Ränge des Militärs entscheidend

Die Strategie der humanitären Hilfe zielt deshalb nicht auf sie, sondern auf die mittleren Ränge, welche die Blockade der Hilfsgüter kommandieren. Brechen sie weg, so das Kalkül, folgt ihnen die schon seit langem demoralisierte Truppe und werden die Generäle isoliert. Hier kommt der Faktor Zeit ins Spiel.

Kurzfristig gelang es Maduro und seinen kubanischen Beratern, Handelsalternativen in Nahost, Indien und Russland zu finden und das Embargo zu durchlöchern. Aber sie sind durch die Transportkosten kostspielig, und mittelfristig wird sich die humanitäre Krise verschärfen. Doch ob das die ausgezehrte Bevölkerung eher in die Revolte oder in die Flucht treibt, ist nicht klar. Je länger Maduros Widerstand erfolgreich ist, desto grösser die Gefahr, dass sich auch Guaidós Momentum abschwächt, die Opposition spaltet oder ein Teil von ihr radikalisiert.

Was macht Trump?

Langfristig dürfte Venezuela wie einst auch Kubas sozialistische Mangelwirtschaft aber nur dann durchhalten können, wenn sich ein Verbündeter bereit findet, für geostrategische Stützpunkte in der Karibik Milliarden auszugeben. Das ist fraglich. Die geopolitische Weltlage deutet eher auf den Rückzug der Supermächte in ihre jeweiligen regionalen Einflusssphären hin.

Werden letztlich Trump, Putin und Xi Jingping untereinander Venezuelas Schicksal besiegeln? Trump konnte zum Schlag gegen Venezuela vor allem deshalb bewegt werden, weil er sich davon Rendite bei den Wahlen 2020 erhofft. Bis dahin muss das Thema erfolgreich vom Tisch sein. Wie weit wird er dafür gehen? Ist die militärische Option mehr als eine nur verbale Drohung? In wie weit spielt Trump gemeinsam mit den Europäern das Spiel Good Cop - Bad Cop, um Maduro an den Verhandlungstisch zu zwingen? Im venezolanischen Poker sind noch längst nicht alle Karten auf dem Tisch.