1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kommentar: Wer soll Nigeria das glauben?

Thomas Mösch8. Februar 2015

Eine Woche vor der geplanten Präsidentschaftswahl zieht Nigerias Wahlkommission die Notbremse - und verschiebt den Urnengang um sechs Wochen. Die Argumente klingen allerdings nicht sehr überzeugend, meint Thomas Mösch.

Wahlkampf in Nigeria 2015
Bild: Reuters/A. Sotunde

Die Entscheidung, die Wahl zu verschieben, hinterlässt mehr Fragen als Antworten. Tatsächlich wurde in den vergangenen Tagen immer deutlicher, dass die Wahlkommission INEC noch längst nicht fertig mit den Vorbereitungen ist. Doch der Vorsitzende der INEC, Attahiru Jega, ein angesehener Politikwissenschaftler, nennt jetzt keineswegs diese Probleme als Grund für die Verschiebung. Im Gegenteil: Er behauptet weiter steif und fest, dass seine Organisation die Wahlen wie geplant am 14. Februar hätte durchführen können.

Die Sicherheitslage: ein "neues Argument"?

Zur Entscheidung habe vielmehr "ein neues Argument" geführt: Die Sicherheit der Wahlhelfer und der Wähler sei nicht gewährleistet. Dies hätten ihm die Sicherheitskräfte nachdrücklich und überzeugend dargelegt. Die Sicherheitskräfte wollten jetzt eine Großoffensive gegen die Terrorgruppe Boko Haram im Nordosten des Landes starten und könnten nicht gleichzeitig im ganzen Land die Wahlen absichern, referierte Jega die ihm geschilderte Sachlage.

Diese, von Jega vorgetragene Argumentationskette wirft allerdings mehrere Fragen auf:

Erstens: Was soll neu sein an dem Argument, dass die Sicherheit von Wählerinnen und Wählern gefährdet sein könnte? Seit Monaten befinden sich große Gebiete im Nordosten des Landes unter der Kontrolle mordlüsterner Terroristen, die auch in anderen Landesteilen immer wieder Anschläge verüben. Trotzdem haben alle Beteiligten wiederholt versichert, die Wahlen könnten durchgeführt werden.

Nigerias Entscheidung wirft Fragen auf - das sagt Thomas Mösch, Leiter des Haussa-Programms der DW. Die Haussa sind eine der drei großen Volksgruppen Nigerias.Bild: DW

Zweitens: Es stellt sich die Frage, wieso die Sicherheitskräfte ausgerechnet jetzt auf die Idee kommen, eine Großoffensive gegen Boko Haram zu starten, die es ihnen angeblich unmöglich macht, im Rest des Landes die Wahlen zu sichern. Und warum sollten sie nun innerhalb von sechs Wochen in der Lage sein, den Terror zu besiegen, obwohl sie dabei in den vergangenen fünf Jahren keinen Schritt vorangekommen sind?

Die genannten Gründe sind schwach. Was sind die wahren?

Die von Jega am späten Samstagabend vorgetragenen Argumente wären vor vier oder acht Wochen genauso richtig gewesen wie heute. Allzu viele Nigerianer werden sie deshalb nicht überzeugen.

Hinzu kommt, dass die Frage des Wahltermins längst Regierung und Opposition spaltet. Während sich viele kleinere Parteien schon im Laufe des Samstags zusammen mit der PDP von Präsident Goodluck Jonathan hinter die Forderung nach einem neuen Wahltermin stellten, blieb die APC seines stärksten Gegenspielers Muhammadu Buhari bei ihrer ablehnenden Haltung. Die kommenden Stunden und Tage werden zeigen, ob der öffentliche Friede dieser Spaltung standhält.

Angesichts der wenig überzeugenden Gründe für den neuen Wahltermin dürfte kräftig über die wahren Beweggründe spekuliert werden. Immerhin hat sich die INEC jetzt den Sicherheitskräften ausgeliefert. Was passiert, wenn diese auch in sechs Wochen wieder von einer Wahl abraten? Mit Wahlterminen im März und April bleibt Jega jetzt noch innerhalb der von der Verfassung erlaubten Frist, die eine Amtsübergabe an den nächsten Präsidenten spätestens am 29. Mai vorschreibt. Blockieren Armee, Polizei und Geheimdienste aber weiter die Wahlen, dann droht eine Verfassungskrise. Da Präsident Jonathan heute sehr viel unbeliebter ist als vor seiner ersten Wahl vor vier Jahren, fürchten Kritiker, er könnte genau dies beabsichtigen: Wenn die Sicherheitslage keine Wahlen erlaubt, dann kann man sie halt nicht durchführen.

Nimmt der Kampf gegen Boko Haram jetzt Fahrt auf?

Doch es gibt auch ein paar positive Punkte zu vermerken. Da ist zunächst Attahiru Jega selbst. Der Politikprofessor hat schon vor vier Jahren gezeigt, dass er zu unerwarteten Entscheidungen fähig ist, wenn er glaubt, dass diese dem Ziel einer geordneten Wahl nützen. 2011 entschied er am ersten Wahltag, diesen abzubrechen und zu verschieben, weil das organisatorische Chaos offensichtlich war. Am Ende klappte die Organisation der Wahl halbwegs ordentlich.

Auch militärisch hat sich die Lage in den ersten Februartagen tatsächlich etwas gedreht. Durch den Einsatz der Nachbarländer Nigerias - allen voran der Tschad - wurden die Terrorkämpfer von Boko Haram an den Landesgrenzen in die Defensive gedrängt. Vielleicht sehen Nigerias Militärs jetzt tatsächlich eine Chance, in kurzer Zeit größere Erfolge zu erzielen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie und die Machthaber in Abuja endlich erkannt haben, was zu tun ist, ist zwar gering. Aber vielleicht wird am Ende dann ja doch noch alles gut - so wie vor vier Jahren.