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Wider die Zensur bei Facebook!

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
9. September 2016

Der Chefredakteur der norwegischen Zeitung "Aftenposten" kritisiert in einem offenen Brief an Mark Zuckerberg, dass Facebook journalistische Inhalte löscht. Man kann ihm nicht genug dafür danken, meint Martin Muno.

Espen Egil Hansen, der Chefredakteur der norwegischen Zeitung Aftenposten vor dem gelöschten FotoBild: Aftenposten/Nick Ut

Danke, Espen Egil Hansen! Danke für diesen engagierten und klugen Brief. Denn dieser Brief des Chefredakteurs der Zeitung "Aftenposten" an Facebook-Chef Mark Zuckerberg macht deutlich, dass wir in den westlichen Industrieländern allmählich um unsere Rede- und Meinungsfreiheit fürchten müssen.

Was ist passiert? Facebook löschte einen "Aftenposten"-Artikel, weil dort ein Foto vom Vietnamkrieg aus dem Jahre 1972 abgebildet war. Nicht irgendein Foto, sondern ein Bild, für das der Fotograf Nick Ut mit dem Pulitzer-Preis geehrt wurde, einem der begehrtesten Preise, den ein Pressefotograf überhaupt bekommen kann. Gezeigt wird die neun Jahre alte Kim Phuc, die vor einem Napalmangriff flieht. Allerdings nackt. Ihre Kleider waren bei dem Napalm-Angriff verbrannt - ebenso wie 30 Prozent ihrer Hautoberfläche.

Nicht nur Facebook ist der Buhmann

Facebook ist - ganz in der amerikanisch-puritanischen Tradition - sehr empfindlich, was die Abbildung nackter Körper angeht. Dagegen ist erst einmal nicht viel einzuwenden. Aber Facebook unterscheidet ebensowenig zwischen Zeitdokument und Pornografie wie zwischen Kunst und Schund. Und Espen Egil Hansen hat recht, wenn er schreibt, dass es nur die Dummheit und die Zwietracht fördert, wenn wir diese Unterscheidungen nicht treffen. Er hat ebenso recht, wenn er Facebook-Chef Mark Zuckerberg vorwirft, seine Macht zu missbrauchen. "Hör mal Mark, das ist eine ernste Sache", schrieb er.

Wer jetzt aber nur auf Facebook und Mark Zuckerberg schimpft, macht es sich zu einfach. Denn dies ist schon der zweite gravierende Fall von Zensur binnen weniger Wochen. Ende Juni löschte Google den Blog "DC's" des US-Schriftsteller Dennis Cooper und das Produkt eines 14-jährigen Schaffens. Ohne jede Vorwarnung, ohne jede Begründung. Auch Cooper befasste sich in seinem Blog ab und zu mit nackten Körpern. Inzwischen gelang es ihm, zumindest einen Teil der Dateien wieder zurückzuerhalten und an anderer Stelle zu veröffentlichen.

DW-Redakteur Martin Muno

Menschen entscheiden mit Wissen, Sachverstand und Gefühl

Google und Facebook - das sind Plattformen, die zunehmend unsere Wahrnehmung von der Welt bestimmen. Diese Welt darzustellen und ihr Chaos einzuordnen, ist aber auch eine zentrale Aufgabe von uns Journalisten. Wie oft diskutieren wir in unseren Redaktionen etwa über die Frage, welche Bilder wir zeigen können oder gar sollen. Das Foto von Kim Phuc ist hierfür ebenso ein Beispiel wie das des kleinen Aylan Kurdi am Strand von Bodrum. Da ist journalistisches Wissen gefragt, Sachverstand und Fingerspitzengefühl. Espen Egil Hansen hat völlig recht, wenn er meint, dass in Kalifornien programmierte Algorithmen das nicht leisten können - erst recht, wenn die AGBs von Facebook zur Folge haben, dass Brustwarzen durchweg verboten, rassistische Pöbeleien aber durchaus erlaubt sind.

Ein Schriftsteller, ein Chefredakteur: Zwei paradigmatische Vertreter der aufgeklärten Gesellschaft stehen macht- und hilflos vor den anonymen Algorithmen der globalen Internetkonzerne wie einst Kafkas "Mann vom Land" vor dem Gesetz. Wir brauchen deshalb dringend einen politischen und gesellschaftlichen Diskurs, was wir in welchen Zusammenhängen auf Plattformen veröffentlichen dürfen.

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