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Kommentar

Peter Philipp5. November 2006

Saddam Hussein ist wegen eines Massakers vor 24 Jahren an 148 Schiiten schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt worden. Er soll wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehängt werden. Peter Philipp kommentiert.

Fernschreiber Autorenfoto, Peter Philipp

Für viele irakische Schiiten und vor allem die Kurden des Zweistromlandes stand seit langem fest, dass die Todes-Strafe zwingendes Ergebnis des Prozesses gegen Saddam Hussein sein müsse. Aber: Wie viele Tode kann ein Diktator sterben, um die Verbrechen zu sühnen, derer er sich schuldig gemacht hat?

Dies war ja nur der erste von mehreren Prozessen, in denen Saddam abgeurteilt werden sollte: Hier ging es um die Ermordung von 148 Schiiten im Ort Dudschail. Ein zweiter Prozess - der sich mit der Ermordung Tausender von Kurden befasst - ist im Gange und weitere sollen folgen. Was bedeutet dabei das am Sonntag (5.11.) ausgesprochene Todes-Urteil gegen den Ex-Diktator? Wird das Urteil vollstreckt oder werden erst noch die anderen Prozesse durchgezogen?

"Tore zur Hölle"

Fragen, die gegenwärtig ohne Antwort bleiben. Ungewiss auch, was das Urteil für die Sicherheitslage im Irak bedeutet. Man könnte zwar sagen: Wie viel schlimmer kann die noch werden? Aber die dumpfe Drohung von Saddams Verteidigern hallt doch nach, dass ein Todes-Urteil "die Tore zur Hölle öffnen" werde.

Nach der Verkündung des Urteils darf - und sollte - man innehalten und abwägen, was solch ein Prozess bedeutet. Die spontane Antwort ist nicht eindeutig: Washington und die irakische Regierung wollten mit dem Prozess beweisen, dass der Irak sich auf dem Weg zum Rechtsstaat befindet und dass er in der Lage ist, sich mit den Untaten des Saddam-Regimes auseinanderzusetzen. Keine Siegerjustiz wie im Nürnberger Prozess, kein internationales Sondergericht wie im Fall des ehemaligen Jugoslawien. Und keine Verweisung an den Internationalen Strafgerichtshof. Aber auch keine "Wahrheitskommissionen" wie in Südafrika.

Urteil bringt Irak der Rechtsstaatlichkeit nicht näher

Der Prozess sollte in erster Linie den Boden bereiten für eine nationale Aussöhnung, genau das aber ist nicht geschehen. Im Gegenteil: Die Anhänger Saddams werden nun erst recht eine Eskalation betreiben. Denn sie müssen deutlicher als je zuvor einsehen, dass die Zeit ihrer Vormachtstellung vorbei ist. Sie werden Saddam als Märtyrer betrachten, der bis zuletzt seine absurden Argumente aus dem Gerichtssaal weltweit verbreiten konnte.

Nach dem Urteil drängt sich ein gefährlicher Gedanke auf: Dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn Saddam nicht lebend gefasst worden wäre. Dann würde man heute vielleicht so wenig von ihm sprechen wie von seinen Söhnen. Ein gefährlicher Gedanke, weil er im Widerspruch zu jedem rechtsstaatlichen Konzept steht. Nur beweist der Alltag tagtäglich: Der Irak ist weit entfernt von einem Rechtsstaat. Und das Urteil im Saddam-Prozess bringt ihn diesem Ideal auch nicht näher.