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Politik

Großer Steuermann 2.0

24. Oktober 2017

Xi Jinping startet als Chef der Staatspartei Chinas mit enormem Rückenwind in seine zweite Amtszeit. Die führt geradewegs zurück in die Ära der Alleinherrscher. Nur die Methoden werden moderner, meint Matthias von Hein.

Xi Jinping und und Mao Zedong auf einer Ebene - keine Überraschung, denn die Souvenirs sind schon vorbereitetBild: Getty Images/Feng Li

Nein, Xi Jinping ist nicht der "Große Vorsitzende". Aber immerhin gilt Chinas Staats- und Parteichef als "Vorsitzender von allem". Kein Parteichef nach Mao Zedong hat in seinen Händen so viel Macht konzentriert, wie der aus einer alten Funktionärsfamilie stammende Xi in den ersten fünf Jahren seiner Amtszeit. Jetzt schließt der 64-jährige formal zu Staatsgründer Mao auf: Das "Xi Jinping-Denken über den Sozialismus mit chinesischen Charakteristiken für eine neue Ära" wurde durch Aufnahme in die Parteiverfassung geadelt. So viel Ehre war seit Mao keinem Parteichef zuteil geworden. Xi ist im ständigen Ausschuss des Politbüros damit nicht mehr Erster unter Gleichen - er ist nur noch Erster! Der große Steuermann 2.0.

Abschied von der "kollektiven Führung"

Vom früheren Steuermann hängt noch immer ein Portrait überlebensgroß über dem Eingang zum alten Kaiserpalast im Herzen Pekings; Maos Mausoleum mit dem einbalsamierten Leichnam beherrscht in Sichtweite der Parteitagsdelegierten weiter den Tiananmen-Platz. Aber es lohnt daran zu erinnern: Selbst offiziell wird Maos Wirken nur zu 7/10 als gut bewertet und zu 3/10 als schlecht. Zum Beispiel, weil Mao als Alleinherrscher mit dem "Großen Sprung nach vorn" zwischen 1958 und 1961 die größte von Menschen gemachte Hungersnot der Welt verursacht hat, mit Abermillionen Toten. Oder weil er mit der Kulturrevolution eine nationale Katastrophe für China vom Zaun brach. Um solche Exzesse künftig zu vermeiden, hatte die Kommunistische Partei das Prinzip der "kollektiven Führung" etabliert. Mit der Krönungsmesse für Xi Jinping verabschiedet sich die Partei ein Stück weit davon.

DW-Redakteur Matthias von Hein

Xi beginnt seine zweite Amtszeit mit beispiellosem Rückenwind. Die namentliche Aufnahme in die Parteiverfassung ist dabei nur das eine. Das andere sind die Personalveränderungen, die größten in den Parteigremien seit 1969: 70 Prozent der Plätze im Zentralkomitee wurden neu besetzt; fünf der sieben Sitze im allmächtigen Ständigen Ausschuss des Politbüros werden frei. Und überall konnte Xi seine Gefolgsleute unterbringen - um weiter sein Programm umzusetzen.

In welche Richtung der seit Jahrzehnten mächtigste Mann Chinas die größte Nation der Welt führen will, machte Xi in einer der längsten Reden deutlich, mit der je ein Parteitag eröffnet wurde. In 203 Minuten machte Xi klar: Die Ära Deng Xiaoping ist zu Ende - die Zeit, in der es darum ging, China reich zu machen. Jetzt kommt die Ära Xi. Und in dieser soll China stark werden: Stark nach innen durch eine allmächtige Partei und einen allmächtigen Parteichef. Stark nach außen bis 2035 durch ein Militär auf Weltklasseniveau - sprich: auf Augenhöhe mit den USA.

Einfluss der Partei in allen Lebensbereichen

Xis große Vision reicht bis 2050. Was er jedoch für die nächsten fünf Jahre angekündigt hat, klingt nach mehr vom Alten: Die Anti-Korruptionskampagne soll weiter geführt werden. Und vor allem soll der Einfluss der Partei in allen Lebensbereichen weiter ausgebaut werden. Dabei setzt Xi auch auf Big-Data: Die Partei will sich die Daten der chinesischen IT-Unternehmen zu Nutze machen und für jeden der 730 Millionen Internetnutzer zwangsweise ein "soziales Bonitätssystem" einführen: Jede Handlung wird mit Pluspunkten belohnt oder mit Punktabzug bestraft. Künstliche Intelligenz soll dabei helfen, den perfekten Untertanen zu schaffen. Der Überwachungsstaat arbeitet bereits an einem System der Gesichtserkennung: Die Staatsicherheit soll innerhalb von drei Sekunden jeden Chinesen identifizieren können, der von einer der 20 Millionen Überwachungskameras an öffentlichen Plätzen gefilmt wird.

Nicht nur diese Überwachungstechnik wird exportiert. Xi Jinping empfiehlt der Welt gleich das ganze chinesische Modell als Teil der "chinesischen Weisheit" zur Übernahme. Mit der wirtschaftlich erfolgreichen Einparteiendiktatur geht Xi Jinping in den Systemwettstreit mit dem Westen. Die Schwäche des Westens mit einem Donald Trump im Weißen Haus macht es ihm zur Zeit leicht. Europa muss hierauf eine Antwort finden.

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