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Zögerliches Amerika

Soric Miodrag Kommentarbild App
Miodrag Soric
21. September 2015

An der Flüchtlingskrise sind die USA nicht unschuldig. Im aufkeimenden Wahlkampf mag das nur kaum jemand eingestehen. Gut, wenn sich zumindest die Obama-Regierung auf Amerikas alte Stärken besinnt, findet Miodrag Soric.

Bild: Reuters/B. Khabieh

Diese knausrigen arabischen Scheichs: Sie werfen mit Geld um sich, halten aber die Taschen zu, wenn es darum geht, Millionen arabischer Flüchtlinge aus dem Nahen Osten zu helfen! Darüber regen sich amerikanische Kommentatoren auf.

Zu Recht. Sie verweisen auf die Mitschuld einiger Ölprinzen an dem Elend, die Millionen an die Kämpfer des "Islamischen Staates" überwiesen haben, damit diese den syrischen Präsidenten Assad bekämpfen. Mit den Flüchtlingen wollen die Finanziers des Krieges nichts zu tun haben, weil sich unter ihnen auch Terroristen befinden könnten.

Die immer gleichen Gründe

Miodrag Soric, DW-Korrespondent in Washington

Und wie helfen die Amerikaner den Millionen von Vertriebenen? Washington schickte bislang Schecks an verbündete Staaten wie Jordanien, damit diese Flüchtlingslager betreiben können. Amerika leistet humanitäre Hilfe in der Region, ließ aber kaum Verfolgte ins eigene Land. Übrigens aus dem gleichen Grund wie die Scheichs: Amerika fürchtet, potentielle Attentäter ins Land zu lassen.

US-Außenminister Kerry hat nun angekündigt, dass die USA mehr Flüchtlinge aufnehmen werden. Nicht sofort, sondern 2016 und 2017. Immerhin. Über die Flüchtlingskrise reden nicht viele in den USA. Der Präsidentschaftswahlkampf wirft seine Schatten voraus. Die Aufnahme Tausender Verfolgter aus arabischen Staaten ist unpopulär. Also lassen viele Politiker gerne die Finger von dem Thema. Wer mit Kongressabgeordneten spricht und sie auf die Mitverantwortung der USA für das Chaos im Nahen und Mittleren Osten anspricht, trifft einen empfindlichen Nerv. Sie drehen und winden sich.

Das Problem zeigt sich an Guantanamo

Gut, dass die Obama-Administration nicht die Augen vor dem Problem verschließt. Sie wird in den kommenden Tagen zudem einen weiteren Anlauf unternehmen, das Gefangenenlager Guantanamo zu schließen, dieses Relikt und Symbol amerikanischer Interventionspolitik.

Immer noch sitzen in "Gitmo" 115 Häftlinge ein; fast die Hälfte hat nichts verbrochen. Die Administration sucht Staaten, die zumindest die unschuldig Inhaftierten aufnehmen könnten. Was haben aber Länder wie Uruguay oder Albanien, die auf Bitten Washingtons ehemalige Guantanamo-Insassen beherbergen, mit diesen Menschen zu tun? Weshalb bleiben diese nicht in den USA?

Furcht vor Rache

Auch hier spielt der Wahlkampf in Amerika eine Rolle: Kein Abgeordneter, der wiedergewählt werden will, spricht sich für die Überführung der Häftlinge in seinen Heimatbezirk aus. Seine Wähler fürchten die Rache der Gefangenen. Angst ist ein schlechter Ratgeber: sowohl bei der Schließung von Guantanamo als auch bei der Aufnahme Verfolgter aus Syrien.

Kerry hat recht: Die USA sollten sich auf ihre Stärken besinnen. Jahrzehntlang hat Amerika Flüchtlinge aus aller Welt aufgenommen. Es war - oft der letzte - Zufluchtsort für Arme und Verfolgte. Wir Deutsche haben von diesem Vorbild gelernt.

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