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Kommentar: Zar Putin und seine kafkaeske TV-Show

16. April 2015

Russlands Präsident Putin hat in einem "direkten Draht" mit seinem Volk kommuniziert. Doch das demokratische Ersatzritual im Fernsehen wird immer absurder, meint Ingo Mannteufel.

Bild: AFP/Getty ImagesD. Semyonov

Es gehört in Putins Russland mittlerweile zu einer guten Tradition: Einmal im Jahr beantwortet der Präsident in einer mehrstündigen TV-Sendung Fragen, die ihm aus dem Studiopublikum, über Telefon, Internet und SMS sowie per Live-TV-Schalten gestellt werden. Auf den ersten Blick wirkt diese Form der Kommunikation mit dem Volk modern und demokratisch. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass nicht die Bürger mit dem von ihnen bestimmten höchsten politischen Vertreter sprechen, sondern der Herrscher mit seinen russischen Untertanen.

Der soziale Zar

Die Show ist gnadenlos durchorchestriert: Erst darf der Präsident seine Einschätzung der sozio-ökonomischen Lage geben. Tenor: Die Zeiten sind nicht einfach, aber er habe alles im Griff. Dann darf der frühere, marktwirtschaftlich orientierte russische Finanzminister Alexej Kudrin in einer klugen, aber auch vorsichtig vorgetragenen Argumentation auf Defizite in der russischen Wirtschaftspolitik hinweisen. Diese Kritik pariert Putin damit, dass Kudrin angeblich zu starke Einschnitte im sozialen System fordere und zu wenig Herz für die Menschen habe.

Dass aber Putin dieses Mitgefühl besitze, wird dann in den nächsten Stunden immer wieder gezeigt: Denn Putin verspricht allen Unterstützung: den Bauern, den Arbeitern der Luftfahrtindustrie, den Kosmodrom-Bauarbeitern, den Veteranen, den künftigen Rentnern, den Kranken, den Krim-Touristen und vielen anderen. Dass Politiker ihren Wählern viel versprechen, ist auch in westlichen Staaten eine gern geübte Praxis.

Ingo Mannteufel ist Leiter der Russischen RedaktionBild: DW

Dennoch zeigt sich in dieser Kommunikation zwischen dem Regierenden und den Regierten in Russland die Besonderheit des russischen politischen Systems: Es spricht nicht der selbstbewusste Souverän, der als Wähler seinem gewählten Repräsentanten eine Erklärung abverlangt. Vielmehr versucht der russische Untertan als demütiger Bittsteller vom sorgenden Zar Hilfe zu erlangen. Und Putin sichert in paternalistischer Rhetorik Besserung zu.

Andere Möglichkeiten haben die Russen auch kaum noch: Demokratische Institute wie Parteien, Wahlen und Parlamente sind ebenso wie das Rechtssystem nur noch Hüllen in Russland. Gemessen an ihren eigentlichen demokratischen Aufgaben, die Interessen der Bürger in Politik umzuwandeln, sind diese Institutionen entkernt und mit der Exekutive gleichgeschaltet worden. Im Ergebnis regiert der Präsident als nationaler Führer mit einer allmächtigen Bürokratie. Die TV-Fragestunde ist somit eine kafkaeske Imitationsveranstaltung für die nicht vorhandenen demokratischen Einflussmöglichkeiten der Menschen auf die Politik in Russland.

Putins Glaubwürdigkeit hat gelitten

Auch die Ukraine und das Verhältnis zum Westen spielten in der Fragestunde immer wieder eine Rolle. Es war nicht überraschend, dass Putin im Kern seine bisherige Außenpolitik rechtfertigte. Bei genauerem Hinhören könnte man aus Putins Worten schließen, dass er gegenüber der Ukraine und dem Westen nun eine weichere Gangart einschlagen will: So bestritt er, dass Russland den Westen als Feind betrachte. Dagegen vertrat er die Ansicht, dass der Kreml nur an einer politischen Lösung des Konflikts im Donbass interessiert sei.

Doch das Vertrauen in die Redlichkeit von Präsident Putin hat in der Ukraine und im Westen stark gelitten. Schließlich hat Putin auch einmal davon gesprochen, die Souveränität der Ukraine zu achten und die Krim nicht einzuverleiben. Dass er entgegen vieler Berichte, Fotos und Videos auch erneut die Existenz russischer Soldaten in der Ukraine bestritten hat, verbessert die Glaubwürdigkeit Putins nicht. Im Westen wird der russische Präsident mittlerweile nur noch an seinen Taten gemessen. Die Russen sollten dies angesichts seiner sozialen Versprechungen auch tun.

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