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Zeit für mehr Vernunft

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Johannes Beck
13. Oktober 2015

Guinea-Bissau hat nach zwei Monaten Dauerkrise wieder eine Regierung. Mit dem Neustart muss das westafrikanische Land zur Stabilität zurückfinden, will es nicht sein Ansehen komplett verspielen, meint Johannes Beck.

Bild: Fátima Tchumá

Erleichtert, erfreut und sogar erlöst werden sich viele Guineenser gefühlt haben als Präsident José Mário Vaz kurz vor Mitternacht am Montag per Dekret eine neue Regierung verkündet hatte. Genau zwei Monate lang war das Land ohne politische Führung gewesen. Gerade in Guinea-Bissau, wo Staatsstreiche und Militärcoups lange Zeit an der Tagesordnung waren, ist das für viele Menschen besorgniserregend.

Regierungschef mit deutscher Ausbildung

Chef der neuen Exekutive wird, das ist bereits seit September bekannt, der in Ost-Deutschland (DDR) als Agronom ausgebildete und 81 Jahre alte Carlos Correia. Ihm sind nun 15 Minister und 14 Staatssekretäre an die Seite gestellt.

Dreimal übte Carlos Correia bereits das Amt des Premierministers aus: von 1991 bis 1994, 1997 bis 1998 und im Jahr 2008. Er gilt als historisches Schwergewicht der ehemaligen Unabhängigkeitsbewegung von Guinea-Bissau und der Kapverden, des PAIGC (Partido Africano para a Independência da Guiné e Cabo Verde), und als sehr geschickt im Umgang mit internationalen Gebern wie der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds. Wichtige Eigenschaften in einem chronisch bankrotten Staat, der ohne internationale Hilfe nicht einmal die jüngsten Wahlen finanzieren konnte.

Johannes Beck leitet die DW-Redaktion Portugiesisch für Afrika

Nicht im neuen Kabinett vertreten ist dagegen der ehemalige Premierminister Domingos Simões Pereira, den Präsident José Mário Vaz vor zwei Monaten aufgrund persönlicher Differenzen entlassen hatte. Dies obwohl beide der PAIGC angehören und zusammen noch im Mai auf einer Geberkonferenz in Brüssel eine Milliarde Euro Finanzhilfen für das Land eingeworben hatten.

Chef der wichtigsten Partei nicht im Kabinett

Dass mit Domingos Simões Pereira der Vorsitzende der größten Partei PAIGC nun nicht mehr der Regierung angehört, ist kein gutes Zeichen für die Stabilität des Landes. Zwar sind mehrere ihm nahestehende Politiker im Kabinett vertreten, wie der neue Außenminister Artur Silva. Aber solange der Chef der mit Abstand größten Partei des Landes, die mit 57 von 102 Sitzen auch die absolute Mehrheit im Parlament stellt, nicht im Kabinett vertreten ist, ist Potenzial für weitere Regierungskrisen geschaffen.

Kein gutes Zeichen war auch, dass sich der designierte Premierminister Carlos Correia und Präsident José Mário Vaz mehrmals nicht auf eine Kabinettsliste einigen konnten. Am Schluss sind nun sogar überraschenderweise zwei Schlüssel-Ministerien unbesetzt geblieben, weil man sich nicht auf Kandidaten einigen konnte. Nun führt der Premierminister übergangsweise auch die Ministerien für Inneres und Rohstoffe.

Persönliche Fehden statt Streit um Inhalte

In den zwei Monaten Regierungskrise ist deutlich geworden, dass es keine ernsthaften politischen Differenzen innerhalb des PAIGC gibt, das Klima ist vielmehr durch gegenseitige Anschuldigungen und Anfeindungen persönlicher Natur vergiftet.

Guinea-Bissau braucht aber, nachdem es endlich nach dem letzten Putsch 2012 auf den Weg der Demokratie zurückgefunden hat, politische Stabilität. Familienfehden statt Diskussion um politische Inhalte sind völlig falsch am Platz und müssen von den drei Hauptprotagonisten "Jomav", wie Präsident José Mário Vaz mit Spitznamen genannt wird, Premierminister Carlos Correia und PAIGC-Vorsitzenden Domingos Simões Pereira sofort eingestellt werden.

Nur so werden die internationalen Geber wieder ihre Schatullen öffnen und die für einen wirtschaftlichen Neuanfang in dem bitterarmen Land dringend benötigten Finanzhilfen zahlen. Nur so werden internationale Investoren wieder ins Land kommen. Nur so kann auch vermieden werden, dass sich die Militärs des Landes erneut berufen sehen, in die Politik einzugreifen.

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